Ein Gastbeitrag von Christian Röder (Text und Fotos):
Wenn Mona Stoll, Karoline Zech und Johny Drews mal keinen Lippenstift zur Verfügung haben, können die drei Schülerinnen sich flugs mit anderen „Hausmittelchen“ behelfen. Die Nachwuchschemikerinnen benötigen bloß ein paar Tropfen destilliertes Wasser und Ethanol, einen Wollfaden und – die wichtigste Zutat – eine Handvoll roter Zuckerperlchen. Einzig das ebenfalls benötigte Hirschhornsalz findet sich vielleicht nicht in jeder Damenhandtasche. Im Rahmen des sogenannten MINT3-Camps erlebten 15 Schülerinnen und Schüler des Johanneum Gymnasiums Herborn (JGH), der Martin-Luther-Schule Marburg und des Philippinum Gymnasium Weilburg vergangene Woche fünf Tage voller Experimente.
Die Veranstaltung, die in den Räumlichkeiten des JGH durchgeführt wurde, stand dabei unter dem Motto: „Mein Tag mit Chemie“.Getreu dem Motto ging es dann auch um Alltagschemie. „Die Teilnehmer stellen beispielsweise selbst Seife oder Aspirin her. Sie machen Deo-Roller, Hand- und Pflegecreme oder schauen nach, wie viel Eisen in bestimmten Lebensmitteln enthalten ist“, erklärte Hans-Jürgen Messerschmidt, Chemielehrer am JGH, der das Projekt gemeinsam mit seiner Frau Katharina Messerschmidt betreute.
In fünf kleinen Gruppen, bestehend aus je drei Schülerinnen und Schülern der unterschiedlichen mittelhessischen Schulen, experimentierten und forschten die Nachwuchschemiker – und nicht nur das: auch ein ausführliches Kulturprogramm hatten die diesjährigen Organisatoren um JGH-Physiklehrer Friedel Fiedler ausgearbeitet. Neben einem Besuch der Breitscheider Schauhöhle „Herbstlabyrinth“, stand eine Stadtführung durch Herborn auf der Tagesordnung. Auch heimische (Alltags-)Chemie-Firmen wurden besichtigt.
„Uns ist es wichtig, dass die Jugendlichen sich auch untereinander besser kennen lernen; vielleicht kleine Netzwerke aufbauen“, sagte Messerschmidt. Vor drei Jahren habe man das MINT3-Camp ins Leben gerufen. Seitdem wechsle man sich mit den teilnehmenden Schulen ab. Auch die ehemaligen Teilnehmer des Camps für Chemie-Fans waren diesmal mit dabei: die Oberstufenschülerinnen Ronja Teich, Anne Cunz und Melanie Nass schauten den Jüngeren über die Schulter und halfen bei Fragen…
Oder dann, wenn mal ein Versuch nicht so klappte, wie er sollte. Wenn die Kernseife, die man aus Natriumhydroxid und Kokosfett herstellen wollte, plötzlich schwarz wurde und anstatt eines blumigen einen eher unangenehmen Geruch verbreitete, dann hatten die Nachwuchschemiker wohl den Bunsenbrenner zu dicht an das Becherglas gehalten.
Der Lippenstift von Mona Stoll, Karoline Zech und Johny Drews machte unterdessen gute Fortschritte. Die Farbstofflösung – eine Lösung aus dem roten Farbstoff der Zuckerperlen, der Chemiker nennt ihn Erythrosin, und Alkohol – wird mittels eines einfachen Bindfadens von dem immer noch enthaltenen Zucker getrennt: Aus dem Wollfaden lässt sich der Farbstoff mittels Wasser nicht herauslösen, wohl aber der Zucker. Würden Stoll, Zech und Drews auf die Fadenmethode verzichten, erhielten sie später einen zuckersüßen, roten Lippenstift. „Was ja auch Vorteile haben kann“, wie eine Teilnehmerin kichernd verriet.
Am letzten Tag des MINT3-Camps stellte jede Gruppe ihren Lieblingsversuch vor. „Chemie hat immer auch viel mit Handarbeit und persönlichen Eindrücken zu tun“, führte Messerschmidt aus. Aufgrund dessen sei ihm das Experimentieren wichtiger, als eine ausführliche PowerPoint-Präsentation.
Und Versuche hatten die Forscher eine ganze Menge durchgeführt. Über 30 Experimente aus den Alltagsbereichen „Essen und Trinken“, „Pflegen und Schminken“ und vielem mehr, hatten die Neuntklässler bewältigt.
Gilbert Hövel aus Marburg stellte beispielsweise eine colorimetrischen Vergleichsreihe verschiedener Nahrungsmittel auf, um herauszufinden, wie viel Eisen in den jeweiligen Versuchsobjekten wie etwa Spinat enthalten ist. Der Versuch sei „spannend“ in der Durchführung, sagte er. Vor allem sei es interessant, wie das Eisen sichtbar werde. Die Generalprobe Hövels war bereits erfolgreich.
Und der Lippenstift der drei Chemikerinnen? Der war auch erfolgreich. Und das tollste: es gibt ihn auch in blau, gelb, grün… Da sage nochmal jemand, Chemie sei nichts für Frauen.