Mit 27 Jahren ist der Marburger Michael Schmitz kein Berufsanfänger mehr. Er begann früh eine Schreinerausbildung im elterlichen Betrieb. Zwar machte er seinen Meister, empfand den Joballtag zuweilen aber als eintönig. Mit der Gründung von Variant HiFi, eines Startups für Designlautsprecher, baute er sich 2018 erfolgreich ein zweites Standbein auf – und brachte neue Impulse wie auch ein neues Netzwerk in sein Leben. Seither bewegt er sich in „zwei verschiedenen Welten“, wie viele denken: Die Welt der Startups und die des Handwerks. Doch er selbst sieht vor allem die Gemeinsamkeiten.
In einem Gespräch mit uns erzählt Michael Schmitz von seinem Werdegang und was ihm Labels wie Handwerker, Entrepreneur und Innovator wirklich bedeuten:
Neben deiner Tätigkeit als Meisterschreiner hast du 2018 Variant Hifi gegründet, ein Startup für die Fertigung von Designlautsprechern, Bausätzen für den Selbstbau und individuellen Gehäusen. Aus welchem Antrieb heraus ist die Firma entstanden?
Michael Schmitz: Ich wollte mein Hobby zum Beruf machen. Ich hatte bereits angefangen, Lautsprechergehäuse sowohl privat als auch für andere Abnehmer zu bauen. Ich begann mich mit der Materie näher zu beschäftigen – mit Materialeigenschaften, Frequenzen und vielem mehr. Da sich die Klientel zu einer klassischen Schreinerei unterscheidet, habe ich beschlossen, mich mit einem zweiten Unternehmen selbstständig zu machen.
Was unterscheidet Variant HiFi von anderen Lautsprecheranbietern?
Michael Schmitz: Variant HiFi verbindet feinste Handwerkskunst mit der aktuellsten Technik. Ein wichtiger Punkt, der uns von anderen Firmen wie Teufel und Bose unterscheidet, ist die Entwicklungsarbeit. Das heißt, wir entwickeln individuelle Bausätze für unsere Kunden und beraten sie auch bei eigenen Projekten, zum Beispiel bei dem Bau eines Prototyps. Zudem bieten wir sowohl fertige Designlautsprecher an als auch Bausätze für Bastler. Wir wollen wieder mehr Menschen für den Selbstbau begeistern und ihnen auch durch eigens produzierte Videoanleitungen die Angst vorm Scheitern nehmen. Zudem vertreiben wir aber auch Einzelteile wie Stecker, Buchsen, Rohre, Dämmmaterial. Wir sind aktuell die Einzigen in Deutschland, die all das bieten.
Inwiefern hat dich die Ausbildung zum Schreiner auf die Gründung von Variant HiFi vorbereitet?
Michael Schmitz: Nicht viel. Lautsprecherentwicklung ist kein Ausbildungsberuf. Ich habe mir viel über die akustische Physik selber angeeignet. Zudem habe ich einen Experten im Team. Thorsten Fischer arbeitet seit mehr als 30 Jahren als Lautsprecherentwickler und war unter anderem Produktionsleiter in großen Firmen. Es war ein Glück für mich, dass er bei mir anfangen wollte.Das heißt aber nicht, dass ich bei null angefangen habe. Ich kannte als Schreiner bereits die Selbstständigkeit. Ebenso hat sich durch die Meisterprüfung im Jahre 2017/2018 mein betriebswirtschaftliches Wissen erweitert. Und natürlich bringt mir der Schreinerberuf Vorteile im Gehäusebau.
Du bewegst dich mit Variant Hifi in einem Startup- wie auch Handwerksumfeld. Wo siehst du Gemeinsamkeiten, wo Unterschiede?
Michael Schmitz: Ich sehe vor allem große Gemeinsamkeiten. Beide verbinden Innovation und Kreativität. Doch leider sehen das viele nicht. Für die meisten steht das Wort „Startup“ für weltbewegende Erfindungen. Für mich fängt Innovation aber schon im Kleinen an. 99 Prozent aller Innovationen sind irgendwann mal handwerklich angepackt worden und weisen somit eine Verbindung zum Handwerk auf.
Ein Einblick in das Produktionswerk von Variant: Hier entstehen qualitative Hifi-Geräte in Handarbeit. (Foto: Variant GmbH)
Was bedeuten dir Labels wie Handwerker, Entrepreneur, Innovator?
Michael Schmitz: Die Wörter „Handwerk“ oder „Meister“ besitzen für mich einen relativ hohen Stellenwert. Sie sind definiert durch Ausbildungsqualifikationen, das Wort „Startup“ nicht. Auch ist der Begriff Innovation Auslegungssache. Eine Form der Innovation ist für mich die Prozessoptimierung. Das machen Menschen fast automatisch jeden Tag, aber nur die wenigsten wissen es zu schätzen, vor allem die Handwerker. Sie erfinden oder machen sich Gedanken darüber, wie sich Dinge optimieren lassen, die viele als selbstverständlich ansehen. Leider reden Handwerker darüber nicht. Das ist ein Problem.
Wie kommt das?
Handwerker gehören leider zu einer Gruppe mit festgefahrenen Einstellungen. Auf der einen Seite sind die alten Selbstständigen, die denken, dass sie alles besser wissen und selbst mit 50 Jahren schon geistig in der Rente sind. Auf der anderen Seite stehen die Menschen mit Ideen, die oftmals von der ersten Gruppe ausgebremst statt motiviert werden. Die Aussage eines Altmeisters – „Das machen wir schon immer so” – fällt viel zu häufig.
Hast du als Schreiner solche Erfahrungen gemacht?
Michael Schmitz: Ich bekomme so etwas eher durch Kollegen mit oder wenn ich Baustellen besuche. Erst vor wenigen Wochen erzählte mir ein Schreiner, dass sein Lehrling eine „doofe Idee“ hatte. Er wusste aber gar nicht, was die Idee war, denn er ließ seinen Lehrling gar nicht ausreden. Mir kommt es so vor, als geht es nur noch darum, die Menschen auf Leistung zu trimmen. Das ist eine Denkweise, die oft dem Stress geschuldet ist.
Wann und wie hast du deinen Weg, abseits der Handwerksszene, eingeschlagen?
Michael Schmitz: Mit der Gründung von Variant kam der Antrieb die Startup-Community kennenzulernen. In der Schreinerei war ich zu diesem Zeitpunkt schon ein bisschen unglücklich. Ich hatte das Gefühl, auf der Stelle stehen zu bleiben.Ich recherchierte zunächst in den sozialen Medien und besuchte Startup-Events in der Region, etwa vom Gründervirus Marburg oder vom Startup Weekend Mittelhessen. Zudem hat mich eine Freundin, Julia Vollendorf vom Marburger Startup edon, dazu angestachelt, doch selber zu gründen und mich zu informieren.
Welche Erfahrungen hast du mit der Startup-Community gemacht?
Michael Schmitz: Gerade die Gründungsveranstaltungen haben mich in der Entwicklung als Gründer positiv geprägt. Ich konnte dadurch ein Netzwerk aufbauen, mich mit Gleichgesinnten austauschen und konstruktives Feedback erhalten, um mein Geschäftsmodell nachzubessern. Dafür bin ich dankbar, und möchte meine Erfahrungen zurückgeben. Wer mir seinen Businessplan oder sein Pitch Deck zuschickt, bekommt auch von mir konstruktives Feedback.
Was muss sich deiner Meinung nach im Handwerk ändern, damit dort ein ähnliches offenes und unterstützendes Umfeld entstehen kann?
Michael Schmitz: Da muss sich vor allem etwas im Ausbildungsbetrieb ändern. Wir unterrichten seit 30 Jahren das Gleiche! Doch wer stehen bleibt, verliert. Um junge Menschen heute fürs Handwerk zu begeistern, musst du mit der Zeit gehen. Corona hat dahingehend den einzigen Vorteil gebracht, und zwar, dass das Thema der Digitalisierung vorangetrieben wird. Denn ganz ehrlich, junge Menschen holst du nicht mit Sprüchen ab, wie „Digitale Zeiterfassung? Gibt’s bei uns nicht!“ oder „Ach ja, und dumme Fragen möchte ich auch nicht hören.“
Wir wünschen Michael weiterhin viel Erfolg für die Zukunft!

Über Variant Hifi:
Variant Hifi wurde 2018 gegründet und hat seinen Sitz in Marburg. Das Hersteller- und Produktportfolio umfasst neben den schreinerspezifischen Arbeiten sowohl Audiotechnik, Entwicklungsarbeiten, Hifi-Zubehör verschiedenert Art, ebenso die Erstellung kompletter kundenspezifischer Lautsprecherkonzepte. So kann Variant europaweit Händlern, Entwicklern und Privatkunden ein Rundum-Paket an innovativen Qualitätsprodukten und serviceorientierten Lösungen bieten.