Dank
des geplanten Weiterbaus der Autobahn A 49 in Mittelhessen und dem damit bevorstehenden Schulterschluss zur Auobahn A 5 wird das Gelände der ehemaligen
Sprengstofffabrik WASAG bei Stadtallendorf im Landkreis Marburg-Biedenkopf schneller als ursprünglich geplant in großen Teilen kampfmittel- und schadstofffrei.
Rund zehn Millionen Euro investiert die verantwortliche DEGES (Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und –bau GmbH) anlässlich des Autobahnneubaus
in die Altlastensanierung und Kampfmittelräumung auf dem Areal der Westfälisch-Anhaltischen Sprengstoff-Actien Gesellschaft (WASAG). Die WASAG war
ein bedeutendes deutsches Unternehmen für die Herstellung von Sprengstoffen, Explosivstoffen und Munition, das 1997 nach einer Neuausrichtung Insolvenz
anmelden musste.
Die DEGES hatte auf dem Areal seit 2017 umfangreiche Maßnahmen zur Detailerkundung bereits bestätigter Kontaminationen und zur orientierenden Erkundung
von weiteren Verdachtsflächen durchgeführt. Die Hauptkontamination bilden TNT (Trinitrotoluol), Hexogen, Hexyl und sogenannte PAK (Polyzyklische Aromatische
Kohlenwasserstoffe). Diese bislang noch im Boden befindlichen Schadstoffe stellen eine direkte Gefährdung für das Grundwasser und die Trinkwassergewinnung
und somit für den Menschen dar. Sie werden auf einer Fläche von insgesamt sechs Hektar im Bereich der ehemaligen Füllgruppe II, der Munitionsniederlage
und des Sanierungsbereiches Nord-Ost (siehe Karte), beseitigt. Eine sogenannte Füllgruppe besteht aus vier Schmelz-, Misch- und Gießhäusern (SMG-Häuser),
in denen Sprengstoffmischungen hergestellt und in Leermunition konfektioniert wurden sowie aus den zugehörigen Gebäuden und Anlagen (z. B. Lagerhallen).
Die SMG-Häuser wurden nach Kriegsende 1945 gesprengt. In diesem Bereich ist die Belastung mit den sprengstofftypischen Verbindungen am höchsten. Für
den Rüstungsstandort WASAG existiert ein Gesamtkonzept der Bundesrepublik Deutschland für die Sanierung der Verdachtsflächen. Dieses Konzept umfasst
die gesamte Bundesliegenschaft des ehemaligen Sprengstoffwerkes. Entsprechend der Phase der Untersuchung, der festgestellten Kontamination und der
derzeitigen Nutzung der Flächen erfolgte eine Kategorisierung der einzelnen Verdachtsflächen, woraus sich das weitere Vorgehen (Sanierungsbedürftigkeit,
weitere Untersuchungen) ableiten lässt. Dadurch wird diesen Verdachtsflächen unterschiedliche Priorität zugeordnet. Dank der Vorbereitung des Autobahnbaus
konnte die Bodensanierung bei Stadtallendorf nun deutlich schneller als geplant realisiert werden, beziehungsweise wurde in einigen Bereichen überhaupt
erst in Angriff genommen. Auch die Sanierung der über die A-49-Trasse hinausgehenden Füllgruppe II wurde dadurch beschleunigt und konnte rund ein Jahr
früher begonnen werden als ursprünglich geplant. Auch schadstoffbelastete Gebäudereste und Altkanäle werden in diesem Zuge rückgebaut. Für den auf
der Trasse der A 49 liegenden Teil der Füllgruppe II wurde die Entsorgung von insgesamt 15.400 Tonnen Boden/Bauschuttgemisch sowie rund 20.700 Tonnen
Bauschutt beauftragt. Bis Januar 2020 wurden mehr als 25.000 Tonnen mit sprengstofftypischen Verbindungen und mit PAK belasteter Boden, Bauschutt und
belastete Baumstümpfe entsorgt. Nach Abschluss der Sanierungsarbeiten folgt hier bis Juni 2020 die Auffüllung von Oberboden.
Zudem werden auf über 130 Hektar Kampfmittel, die sich noch im Boden befinden und somit eine Gefahr für Mensch und Umwelt darstellen, beseitigt. Die Räumung
findet dabei nicht nur im Bereich der zukünftigen Autobahntrasse auf dem ehemaligen WASAG-Gelände statt, sondern auch in Gebieten, auf denen Ausgleichs-
und Ersatzmaßnahmen in Form von Waldumbaumaßnahmen vorgenommen werden sollen. Diese Bereiche befinden sich in unmittelbarer Nähe der Joßklein und liegen
im Umfeld eines ehemaligen Sprengplatzes sowie im Bereich eines einstigen Bombenabwurfgebietes westlich des Kirtorfer Stadtteils Wahlen. Damit wird
die Gefahr, die von nach wie vor funktionstüchtigen Sprengsätzen ausgeht, gebannt und eine Verunreinigung des Grundwassers durch Schadstoffe, welche
durch Korrosion der im Boden befindlichen Kampfmittel in das Grundwasser gelangen, ausgeschlossen. Nach bisherigem Stand wurden alleine im Umfeld des
ehemaligen Sprengtrichters rund zwölf Tonnen Munition und Munitionsteile gefunden und geräumt, auf den drei Flächen insgesamt rund 16 Tonnen.
Die Autobahn A 49
Die Autobahn 49 (Abkürzung: A 49) ist eine durch Nordhessen verlaufende Bundesautobahn. Derzeit verbindet sie Kassel mit dem Schwalm-Eder-Kreis, wo sie
in Neuental endet. Geplant und teilweise in Bau ist eine Fortführung bis Gemünden (Felda) in Mittelhessen mit Anschluss an die A 5. An ihrem derzeitigen
Ende in Neuental mündet die A 49 in die Landesstraße 3074. Da diese nicht dafür ausgelegt ist, den Autobahnverkehr aufzunehmen, ist der 8,5 Kilometer
lange Autobahnabschnitt zwischen der Anschlussstelle Borken, wo eine Anbindung an die B 3 in Richtung Marburg besteht, und dem Autobahnende in Neuental
komplett für den Schwerlastverkehr gesperrt. Seit Jahrzehnten geplant und umstritten ist der Weiterbau einer 42,5 km langen Strecke der A 49 von Neuental
nach Süden, um die beiden Oberzentren Kassel und Gießen auf dem kürzesten Weg zu verbinden. Nach zahlreichen Planungsverfahren seit den 1970er Jahren
nahm das Land Hessen in den 2000er Jahren die Planungen für den Lückenschluss wieder auf. Die Autobahn soll östlich an Stadtallendorf und Homberg (Ohm)
vorbei verlaufen und bei Rülfenrod bzw. Gemünden (Felda) die A 5 im Bereich Gießen–Alsfeld erreichen.
Das Land Hessen hat mit dem Weiterbau der A 49 die Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und –bau GmbH (kurz: DEGES) – beauftragt, eine Bund/Länder-Projektmanagementgesellschaft,
die komplexe Verkehrsinfrastrukturprojekte umsetzt. Dabei nimmt die DEGES die Funktion als Bauherr und Hausherr (ohne hoheitliche Aufgaben) wahr. Die
Aufgabe der DEGES ist es somit, Verkehrswege – gleich ob Straße, Schiene oder Wasserstraße – wirtschaftlich zu planen, kostengerecht zu steuern, die
Baumaßnahmen abzunehmen, die Abrechnung sicherzustellen und die fertigen Bauwerke termingerecht und in hoher Qualität zu übergeben.
Realisiert werden soll das Vorhaben A 49 als sogenanntes ÖPP-Projekt. ÖPP steht für öffentlich-private Partnerschaft, eine vertraglich geregelte Zusammenarbeit
zwischen öffentlicher Hand und Unternehmen der Privatwirtschaft. Ziel von ÖPP ist die Arbeitsteilung, wobei der private Partner die Verantwortung zur
effizienten Erstellung der Leistung übernimmt, während die öffentliche Hand dafür Sorge trägt, dass gemeinwohlorientierte Ziele beachtet werden. Der
private Partner übernimmt Planung, Bau, Betrieb, Erhaltung und die anteilige Finanzierung für ein Projekt über einen Zeitraum bis zu 30 Jahren.
Die öffentliche Hand erwartet von der Partnerschaft mit der privaten Wirtschaft die Entlastung der angespannten öffentlichen Haushalte, da der private
Unternehmer die Finanzierung ganz oder teilweise selbst besorgt und daher auf die Wirtschaftlichkeit des Projektes achten muss. Durch die Zusammenarbeit
von öffentlicher Hand und Privatwirtschaft können Synergien entstehen, die zu einer deutlich schnelleren Projektabwicklung führen. Gleichzeitig erweist
sich die Ausführungsqualität als überdurchschnittlich, weil die neu erbauten Strecken über einen längeren Zeitraum in der Verantwortung der privaten
Partner verbleiben. Und nicht zuletzt führen optimierte Finanzierungsstrukturen bei ÖPP-Projekten dazu, dass eine ÖPP-Realisierung im konkreten Fall
wirtschaftlicher ist als eine herkömmliche Beschaffung. Aktuell sucht die DEGES in einem europaweit ausgeschriebenen Vergabeverfahren den privaten
Partner.