
Im Vorfeld des Weiterbaus der Autobahn A49 gibt es archäologische Grabungen und Entdeckungen. Wir erklären, was eine mittelalterliche Töpferei mit
dem Lückenschluss der Bundesautobahn zwischen Kassel und Gießen zu tun hat: Im Planfeststellungsbeschluss zum dritten Abschnitt zwischen Stadtallenforf
und dem Ohmtal-Dreieck bei Gemünden wurde auf steinzeitliche und mittelalterliche Fundstellen von Bodendenkmälern im Raum hingewiesen. Dabei handelt
es sich um mittelalterliche Töpferöfen bei Niederklein, die mittelalterliche Töpferwüstung Sperbershain, die mittelalterliche Wüstung Baldersdorf,
eine Töpfereisiedlung, und die mittelalterliche Wüstung Schemelhagen, ebenfalls eine Töpfereisiedlung. Die Umweltauswirkungen auf das Schutzgut Kultur-
und Sachgüter ergeben sich hinsichtlich einer ehemaligen Handelsstraße, die durch die Trasse der A 49 tangiert wird.
Um Bodendenkmäler anzutasten, bedarf es gemäß § 18.1 Denkmalschutzgesetz Hessen einer denkmalschutzrechtlichen Genehmigung. Das Landesamt für Denkmalpflege
Hessen (LDH) hat dem Vorhaben unter der Bedingung zugestimmt, dass vor dem Beginn der Bauarbeiten die Bodendenkmäler wissenschaftlich dokumentiert
werden. Im Auftrag von hessenArchäologie Wiesbaden wurde 2017 eine Magnetometerprospektion auf bereits bekannten Fundstellen im Landkreis Marburg-Biedenkopf
in Niederklein (Gemeinde Stadtallendorf ) sowie im Vogelsbergkreis in Lehrbach (Gemeinde Kirtorf), Appenrod, Homberg und in Maulbach (alle Stadt Homberg
(Ohm)) durchgeführt. Ziel der Untersuchungen war die Detektion von archäologischen Befunden auf bereits bekannten Fundstellen, die im Verlauf der geplanten
Autobahntrasse der BAB A 49 liegen. Am Standort der mittelalterlichen Töpfereiwüstung „Baldersdorf“ sind im Zuge des A49-Ausbaus ein Brückenbauwerk
sowie eine Aufforstung als ökologische Ausgleichsmaßnahme geplant. Da durch die geplanten Maßnahmen die archäologische Substanz des Bodendenkmals in
diesen Bereichen stark verändert wird, forderte das Landesamt für Denkmalpflege eine archäologische Ausgrabung vor Beginn der Bauarbeiten. Diese Ausgrabung
wird derzeit von einer archäologischen Fachfirma durchgeführt. Im Verlaufe der Ausgrabung wird der durchwühlte Oberboden, die ehemalige Ackerschicht,
entfernt, anschließend die erfassten archäologischen Strukturen freigelegt und sorgfältig dokumentiert: fotografiert, eingemessen und gezeichnet. Dadurch
sollen, obwohl die originalen Denkmalstrukturen nicht erhalten werden können, möglichst viele Informationen zur Töpferei erhalten bleiben. Die Ausgrabungsarbeiten
waren für einen Zeitraum von sechs Monaten geplant und werden diesen trotz schwierigster Witterungsbedingungen und Bodenverhältnisse nur geringfügig
überschreiten.
Gefunden wurden die Reste von 15 Töpferöfen auf einem Areal von über 1 ha. Bei den Öfen handelte es sich um so genannte liegende Töpferöfen, bei denen
Feuerungsraum und Brennraum hintereinander angeordnet sind. Die Öfen sind so im ansteigenden Gelände angelegt worden, dass die Aufwinde am Hang die
Führung des Brandes, also die Verteilung der Hitze im Ofen, unterstützt haben. Im Umfeld der Öfen befanden sich Gruben unterschiedlicher Funktionen,
Pfostengebäude, sowie Schichten aus Asche und gebranntem Lehm. Letztere lagerten sich großflächig um die Öfen herum ab, wenn Brennraum und Feuerungsraum
nach einem Brennvorgang geöffnet und gesäubert wurden.
In allen genannten archäologischen Strukturen fanden sich sehr viele Scherben von Keramikgefäßen, die vor Ort produziert wurden – gelegentlich auch vollständige
Gefäße. Diese Funde geben Aufschluss über das Alter und die Dauer der Produktion vor Ort: sie stammen aus dem 12.-14. Jahrhundert. Die Funde werden
nach ihren Fundzusammenhängen – den archäologischen Befunden – getrennt aufgenommen, gewaschen, verpackt und in Listen erfasst. Sie kommen nach Abschluss
der Maßnahme in ein Fundmagazin des Landes Hessen. Dort stehen sie nach Bedarf zur weiteren wissenschaftlichen Bearbeitung oder auch zur Präsentation
zur Verfügung.
Die Autobahn A 49
Die Autobahn 49 (Abkürzung: A 49) ist eine durch Nordhessen verlaufende Bundesautobahn. Derzeit verbindet sie Kassel mit dem Schwalm-Eder-Kreis, wo sie
in Neuental endet. Geplant und teilweise in Bau ist eine Fortführung bis Gemünden (Felda) in Mittelhessen mit Anschluss an die A 5. An ihrem derzeitigen
Ende in Neuental mündet die A 49 in die Landesstraße 3074. Da diese nicht dafür ausgelegt ist, den Autobahnverkehr aufzunehmen, ist der 8,5 Kilometer
lange Autobahnabschnitt zwischen der Anschlussstelle Borken, wo eine Anbindung an die B 3 in Richtung Marburg besteht, und dem Autobahnende in Neuental
komplett für den Schwerlastverkehr gesperrt. Seit Jahrzehnten geplant und umstritten ist der Weiterbau einer 42,5 km langen Strecke der A 49 von Neuental
nach Süden, um die beiden Oberzentren Kassel und Gießen auf dem kürzesten Weg zu verbinden. Nach zahlreichen Planungsverfahren seit den 1970er Jahren
nahm das Land Hessen in den 2000er Jahren die Planungen für den Lückenschluss wieder auf. Die Autobahn soll östlich an Stadtallendorf und Homberg (Ohm)
vorbei verlaufen und bei Rülfenrod bzw. Gemünden (Felda) die A 5 im Bereich Gießen–Alsfeld erreichen. Das Land Hessen hat mit dem Weiterbau der A 49
die Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und –bau GmbH (kurz: DEGES) – beauftragt, eine Bund/Länder-Projektmanagementgesellschaft, die komplexe Verkehrsinfrastrukturprojekte
umsetzt. Dabei nimmt die DEGES die Funktion als Bauherr und Hausherr (ohne hoheitliche Aufgaben) wahr. Die Aufgabe der DEGES ist es somit, Verkehrswege
– gleich ob Straße, Schiene oder Wasserstraße – wirtschaftlich zu planen, kostengerecht zu steuern, die Baumaßnahmen abzunehmen, die Abrechnung sicherzustellen
und die fertigen Bauwerke termingerecht und in hoher Qualität zu übergeben. Realisiert werden soll das Vorhaben A 49 als sogenanntes ÖPP-Projekt. ÖPP
steht für öffentlich-private Partnerschaft, eine vertraglich geregelte Zusammenarbeit zwischen öffentlicher Hand und Unternehmen der Privatwirtschaft.
Ziel von ÖPP ist die Arbeitsteilung, wobei der private Partner die Verantwortung zur effizienten Erstellung der Leistung übernimmt, während die öffentliche
Hand dafür Sorge trägt, dass gemeinwohlorientierte Ziele beachtet werden. Der private Partner übernimmt Planung, Bau, Betrieb, Erhaltung und die anteilige
Finanzierung für ein Projekt über einen Zeitraum bis zu 30 Jahren. Die öffentliche Hand erwartet von der Partnerschaft mit der privaten Wirtschaft
die Entlastung der angespannten öffentlichen Haushalte, da der private Unternehmer die Finanzierung ganz oder teilweise selbst besorgt und daher auf
die Wirtschaftlichkeit des Projektes achten muss. Durch die Zusammenarbeit von öffentlicher Hand und Privatwirtschaft können Synergien entstehen, die
zu einer deutlich schnelleren Projektabwicklung führen. Gleichzeitig erweist sich die Ausführungsqualität als überdurchschnittlich, weil die neu erbauten
Strecken über einen längeren Zeitraum in der Verantwortung der privaten Partner verbleiben. Und nicht zuletzt führen optimierte Finanzierungsstrukturen
bei ÖPP-Projekten dazu, dass eine ÖPP-Realisierung im konkreten Fall wirtschaftlicher ist als eine herkömmliche Beschaffung. Aktuell sucht die DEGES
in einem europaweit ausgeschriebenen Vergabeverfahren den privaten Partner.