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Den Wandel der Mobilität mitgestalten

Regionalmanagement Mittelhessen GmbH Gepostet von Regionalmanagement Mittelhessen GmbH in Aktuelles aus Mittelhessen 13 min. Lesezeit

Beim Motorrad-Ausstatter SW-MOTECH in Rauschenberg spielt Dynamik nicht nur bei den Produkten eine Rolle – „Digitalisierung verändert fundamental das Kundenverhältnis“: Die Geschichte eines mittelhessischen Arbeitgebers mit spannender Entwicklung.

Eigentlich hätte das Elternhaus Jörg Diehl gerne als Mitarbeiter eines soliden Bankhauses gesehen. Ein Beruf, bei dem es in der Regel gilt, Risiken zu
vermeiden. Umso außergewöhnlicher, dass es ausgerechnet Diehls nicht unriskantes Hobby als Motorradfahrer war, das für den Anfang eines ganz anderen
Karriere-Weg stand. Heute ist Jörg Diehl Gründer und Geschäftsführer der SW-MOTECH GmbH & Co. KG in Rauschenberg,
eines mittelständischen Unternehmens mit rund 140 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, das sich auf Zubehör für Motorräder spezialisiert hat. Die Idee
zur Gründung hat seinen Ursprung in Diehls anspruchsvollen Krad-Touren durch Nordafrika. Für SW-MOTECH und seine Mitarbeiter bedeutet diese Gründungsstory
nicht zuletzt eines: Dynamik ist Teil des Konzepts und ein wesentlicher Grund, für den Betrieb im Kreis Marburg-Biedenkopf zu arbeiten.

Jörg Diehl und Pascal Blaschke im GesprächAus der Idee, die Freizeitbeschäftigung zum Beruf
zu machen, hat sich eine Mission und eine Vision entwickelt: „Wir wollen den Wandel der Mobilität aktiv mitgestalten“, sagt Diehl. Dabei ist man nicht
ausschließlich auf Verbrenner-getriebene Zweiräder fixiert; auch bei E-Bikes möchte das Unternehmen künftig eine Rolle spielen, auch wenn sich dieser
Bereich „noch in der Sondierungsphase“ befindet, wie der Geschäftsführer formuliert. Die ursprüngliche Motivation, die Diehl mit seinen Mitgründern
Kai Jockel und Jürgen Swora teilt, ist die Leidenschaft für das Motorrad. Zu dritt haben sie die nordafrikanische Wüste befahren und dabei ihre Maschinen
mit exotischem Zubehör Marke Eigenbau erweitert. Dann sahen sie den Bedarf bei anderen Fahrern und begannen, für einen exklusivem Kundenkreis beispielsweise
„aus Waschmaschinenblech Heck-Tanks“ zu bauen – zunächst, um die eigene Urlaubskasse aufzubessern.

Für Diehl kam der „Aha-Moment“, als er feststellte, wie viel Spaß es brachte, „selbst etwas zu machen, etwas bewirken zu können“ und die Zufriedenheit
der Kunden zu sehen. Der Zuspruch eines Professors gab schließlich dem gelernten Bankkaufmann und studierten BWLer den entscheidenden Impuls: „Er sagte,
ich soll mich noch während des Studiums selbstständig machen; später würde mir die Zeit dafür fehlen. „Das war prägend für mich“, fügt er hinzu. Aus
dem anfänglichen „Bauchgefühl“ erwuchs so eine unternehmerische Laufbahn, deren wichtigste Bausteine laut Diehl „Ehrgeiz, Glück und Wagnis“ waren.
„Bestimmte Stellschrauben müssen passen, andere macht man sich passend.“ Schließlich sei SW-MOTECH nicht das erste Unternehmen auf dem Markt gewesen.
„Auf uns wartete niemand.“ Heute bietet der Betrieb Geschäfts- aber auch immer mehr Endkunden rund 3000 Produkte an – überwiegend auf Grundlage eigener
Entwicklungen.

Jörg Diehl in der Fertigung bei SW-MOTECHWelche Bedeutung dabei die Innovations-Kraft der
Mitarbeiter hat, zeigte sich bereits früh in der Unternehmensgeschichte, bei einer Produkt-Entwicklung, die mittlerweile vielleicht sogar bekannter
als das Unternehmen selbst sei, wie Diehl sagt: einem Tank-Ring. Dieser Bestandteil des Benzintanks sei schon immer gerne auch als Befestigungsmöglichkeit
für Zusatzteile genutzt worden, erzählt der 49-Jährige. Allerdings war bei den Lösungen, die er mit seinen Freunden bei anderen Krad-Fahrern beobachten
konnte, die „Idee zwar gut, aber die Anwendung sehr schlecht“. Nachdem sich die Gründer nachmittags in einem Café ausgiebig und mit Spaß der Entwicklung
einer besseren Idee gewidmet hatten, kam der zündende Funke für eine bessere Variante schließlich bei einem „Feierabend-Bierchen in der Werkstatt“
von Diehls damaligem „Mitarbeiter Nr. 1“. Nur „durch die Gemeinschaft“ sei diese Entwicklung letztlich gelungen, ist Diehl überzeugt.

Aktuelle Herausforderungen beruhen eher auf Bits und Byte und statt auf Blech und Schrauben: „Die Digitalisierung verändert fundamental unser Kundenverhältnis.“
Vor diesem Hintergrund spielt Pascal Blaschke für SW-MOTECH eine besondere Bedeutung. Blaschke ist Informatikkaufmann und absolviert zusätzlich ein
Duales Studium der Betriebswirtschaft. Und er ist ein „Mischmensch“, wie Diehl Personen nennt, die alt genug sind, um analoge Technologien und Lebensweisen
noch zu kennen, aber jung genug, um digitale Techniken und Prozesse verinnerlichen zu können. „Wir haben ‚digitale‘ und ‚analoge‘ Kunden, aber auch
Mitarbeiter“, sagt der Geschäftsführer. Blaschke sei derjenige, der die Diskrepanz zwischen beiden Gruppen überwinden und Verständnis für beide Seiten
aufbringen könne.

Pascal Blaschke: Alt genug, um analoge Technologien und Lebensweisen noch zu kennen, aber jung genug, um digitale Techniken und Prozesse verinnerlichen zu können.Es ist naheliegend, dass Pascal Blaschke daher bei SW-MOTECH die Abteilung E-Commerce mit aufgebaut
hat. In den Betrieb kam der 27-Jährige vor über zehn Jahre als Auszubildender, damals zählte das Unternehmen gerade erst rund 40 Mitarbeiter. Nach
drei Jahren betreute er das Artikel- und Stammdaten-Management. Er sei damals in einer sehr agilen Phase zu dem Motorrad-Ausstatter gestoßen. „Es gab
sehr viele Artikel-, Modell- und Produkt-Daten, täglich kamen neue Infos rein.“ Seitdem ist das Unternehmen gewachsen – an Personal und auch an Bedeutung.
„Ich hatte damals keine Vorstellung, wie sich das noch entwickeln wird.“ Seine Bewerbung sei damals eher eine „Bauchentscheidung“ gewesen; Leidenschaft
für das Produkt habe noch keine Rolle gespielt. Die Ausbildung war zudem ursprünglich als Industriekaufmann ausgeschrieben. Spontan habe man ihm dann
den Ausbildungsplatz als Informatikkaufmann angeboten, auch weil er sein Fachabitur in Wirtschaftsinformatik gemacht hatte. „Darüber bin ich im Nachhinein
ganz froh.“

Das hat auch Gründe: „Es gibt nichts besseres, als IT-gestützt arbeiten zu können“, sagt Blaschke heute. Mittlerweile betreut er seit zwei Jahren den Vertrieb
im Innendienst. Die Zugriffsmöglichkeit auf Daten unterstütze zum Beispiel die Preisgestaltung oder verbessere die Entscheidungsgrundlage bei anstehenden
Projekten. „Daten sind das Elexier“, sagt auch Blaschkes Chef. „Mit Daten können wir Informationen generiere und Prozesse optimieren, wie wir es vorher
nicht konnten“, sagt Diehl – beispielsweise auch bei neuen Services, wie der Möglichkeit für Endkunden, Motorrad-Sitzbänke individuell anzupassen.
Ein sehr emotionales Produkt sei das, aber auch ein Experiment: „Wird uns mit einem Konfigurator die Standardisierung individueller Dinge bei funktionierendem
Absatz gelingen“, stellt sich der SW-MOTECH-Gründer die entscheidende Frage.

Pascla Blaschke an seinem ArbeitsplatzBlaschkes Job ist es dabei vor allem auch, den Überblick
zu behalten. In erster Linie sei er Kaufmann, aber der Informatik-Hintergrund helfe, „zu wissen, was die Auswirkungen sind, an welcher Ecke es klemmen
könnte, und welche Möglichkeiten es gibt.“ Dabei spielt auch das Duale Studium an der ADG Business School in Montabaur, das er in diesem Jahr mit dem Bachelor abschließt, eine Rolle: Die Betriebswirtschaftslehre helfe, ein Verständnis für verschiedene Bereiche
und Abteilungen und allgemeinhin „eine größere Denke zu haben.“ Dabei gehört auch die Teamführung: Interne Steuerung sei „sehr wichtig“ – „was machen
die Azubis, wie sind die Mitarbeiter beschäftigt; was liegt wirklich an und wo befinden wir uns im Tagesgeschäft, auch saisonal bedingt.“

Für das Studium neben der Arbeit hat Blaschke Opfer bringen müssen. „Der Urlaub ging komplett für die Uni drauf.“ Die Auszeit sei in der Prüfungszeit einfach
nötig gewesen; mit Projekten von der Arbeit im Kopf habe er nicht gut lernen können. „Im Semester hat das aber geklappt.“ Es sei „prima, wie der Arbeitgeber
mich unterstützt hat.“ Das beruhe auf Gegenseitigkeit: Es werde erwartet, dass Aufgaben erledigt und Termine eingehalten werden, dass man seine Arbeit
gut macht. „Man erfährt dann aber auch das Gleiche für sich selbst; dann sind auch private Termine und Freizeit möglich.“ Mache man seine Arbeit gut,
bekomme man auch etwas zurück.

Eine Win-Win-Situation auch für Diehl: Für ihn ist Personal die „Basis für alles, was wir nachhaltig als Unternehmenswert schaffen“. Die Unternehmensführung
habe daher zwei strategische Personal-Ziele für die kommenden Jahre formuliert: „Zum einen wollen wir verantwortungsbewusste Mitarbeiter binden, zum
anderen die Mitarbeiter-Kompetenzen erhöhen.“ Das sei die wesentliche Basis, „um Zufriedenheit zu stiften“, aber auch, um das Firmen-Image weiter zu
verbessern. Und um neue Mitarbeiter auszubilden und zu rekrutieren. „Unser Ziel muss es sein, dass der nächste Pascal uns besser findet und von vornherein
Lust hat, in der Firma zu arbeiten“ – und gerne an einer Firmen-Geschichte teilhaben möchte, die sich in Zukunft ebenso spannend entwickeln könnte,
wie sie einmal begonnen hat.

(Alle Fotos: Tilman Lochmüller)