Skip to main content

Forschungscampus Mittelhessen: Drei Fragen an Dr. Eva-Maria Aulich

Regionalmanagement Mittelhessen GmbH Gepostet von Regionalmanagement Mittelhessen GmbH in Aktuelles aus Mittelhessen 11 min. Lesezeit

 Dr. Eva-Maria Aulich, Geschäftsführerin des Forschungscampus Mittelhessen, Foto: Oli RustDer Forschungscampus Mittelhessen ist eine hochschulübergreifende Einrichtung der Justus-Liebig-Universität
Gießen, der Philipps-Universität Marburg und der Technischen Hochschule Mittelhessen, die im November 2016 gegründet wurde und in der fünfjährigen
Etablierungsphase vom Land Hessen finanziell gefördert wird.
Wir haben drei Fragen zur Idee, zu den Strukturen und den weiteren Schritten an Dr. Eva-Maria Aulich, Geschäftsführerin des Forschungscampus Mittelhessen gestellt:

Was ist die Idee und die Mission des Forschungscampus?

Unsere Mission ist die Stärkung der regionalen Verbundbildung insbesondere in der Forschung und Nachwuchsförderung. Dahinter steht folgender Gedanke: Eine
Allianz zwischen starken Partnern ist ein wichtiger Vorteil im immer härter werdenden Wettbewerb der internationalen Hochschullandschaft. In der mittelhessischen
Allianz haben sich zwei Volluniversitäten mit zum Teil einzigartigen Profilen und einer jeweils über 400-jährigenHistorie mit einer der größten Fachhochschulen
Deutschlands mit einem starken ingenieurwissenschaftlichen Profil zu einem schlagkräftigen Verbund zusammengetan. Die besondere Stärke dieses Verbunds
liegt darin, dass die drei Hochschulen eine große inhaltliche Schnittmenge aufweisen und zugleich fachlich komplementär aufgestellt sind. Hinzu kommt
die stark anwendungsorientierte Ausrichtung der Technischen Hochschule Mittelhessen, die das das Profil unseres Verbunds darüber hinaus bereichert.
Im Verbund können wir Synergieeffekte nutzen und die Kräfte und Kompetenzen der drei Partner bündeln, um das Potential für große Verbundforschungsprojekte
einerseits und innovative Vorhaben in der Nachwuchsförderung andererseits zu steigern. Eine Erfolgsgeschichte aus der Forschung, die die Idee des Forschungscampus
sehr gut beschreibt ist die Zusammenarbeit im hochschulübergreifenden Campus-Schwerpunkt „Insektenbiotechnologie und Bioressourcen“: Was 2011 als LOEWE-Schwerpunkt
zwischen Forschenden der Justus-Liebig-Universität und der Technischen Hochschule Mittelhessen begann, entwickelte sich zunächst zu dem LOEWE-Zentrum
„ZIB – Zentrum für Insektenbiotechnologie und Bioressourcen“ und soll in der Gründung eines eigenständiges Fraunhofer-Institut für Bioressourcen münden
– der Spatenstich für den Forschungsneubau des künftigen Fraunhofer-Instituts ist bereits erfolgt. In Hinblick auf die Nachwuchsförderung stehen bei
uns insbesondere zwei Projekte im Fokus: Erstens haben wir eine Plattform für Promotionen, die in Kooperation zwischen der Technischen Hochschule Mittelhessen
und der Universität Gießen oder der Universität Marburg durchgeführt werden eingerichtet, um die Promotion von qualifizierten Absolventinnen und Absolventen
von Fachhochschulen bzw. Hochschulen für Angewandte Wissenschaften zu fördern. Zweitens etablieren wir ein hochschulübergreifendes Ingenieurwissenschaftliches
Promotionszentrum ein, um den Dr.-Ing. verleihen zu können und damit den mittelhessischen Nachwuchs in diesem Bereich zu fördern. Dass uns das Land
Hessen in der Aufbauphase großzügig mit 7,2 Mio. Euro unterstützt, liegt auch daran, dass die Politik erkannt hat, dass die Verbundstrategie der mittelhessischen
Hochschulen nicht nur den beteiligten Partnern nutzt, sondern auch einen strukturellen und strategischen Mehrwert für die gesamte Region bietet.

Wie bzw. in welchen Strukturen setzen Sie die Idee um, wie soll die Organisations-übergreifende Zusammenarbeit funktionieren?

fcmh.de, die Website des Forschungscampus Mittelhessen
Eine wichtige Erfolgsgrundlage des Forschungscampus ist, dass er nicht bloß auf einem aktuellen Trend beruht – denn seit der Wissenschaftsrat 2010
die Bildung regionaler Verbünde empfohlen hat, entstehen in ganz Deutschland aus guten Gründen hochschulübergreifende Verbünde –, sondern in einer
jahrzehntelang gewachsenen Partnerschaft verwurzelt ist, die sowohl von den Forschenden selbst gesucht als auch von den Hochschulleitungen aktiv gefördert
wurde. Ein weiteres Beispiel dafür, dass hochschulübergreifende Kooperation in Mittelhessen in einigen Bereichen bereits jahrelang gelebte Realität
ist, ist neben der bereits genannten Insektenbiotechnologie die Medizin: 2005 fusionierten die beiden Universitätsklinika der Universitäten Marburg
und Gießen zum heute drittgrößten Universitätsklinikum Deutschlands. Voraussetzungen für das Funktionieren der hochschulübergreifenden Zusammenarbeit
sind damals wie heute der Kooperationswille, die fachliche Passung und die strategische Weitsicht aller Beteiligten. Um die bestehende Zusammenarbeit
zu intensivieren und neue gemeinsame Aktionsfelder zu entwickeln, haben wir mit dem Forschungscampus unterstützende Strukturen aufgebaut: Die Hochschulleitungen
kommen regelmäßig im Direktorium bzw. der Steuerungsgruppe zusammen und tauschen sich aus. Strategisch beraten werden die Leitungsgremien einerseits
in Hinblick auf neue Verbundforschungspotentiale von einem Forschungsrat und andererseits in Hinblick auf die gesamt-strategische Ausrichtung der Allianz
von einem internationalen Beirat – beiden Gremien gehören international ausgewiesene Persönlichkeiten des akademischen und öffentlichen Lebens an.
Als weitere verbundfördernde Struktur wurde die Geschäftsstelle eingerichtet. Mein Team und ich haben die Aufgabe, die hochschulübergreifende Zusammenarbeit
in Hinblick auf Forschung und Nachwuchsförderung zu koordinieren und die Abstimmung auf den entsprechenden Verwaltungsebenen zu fördern und auszubauen.
Wer hochschulübergreifend zusammenarbeiten möchte, hat mit uns eine zentrale Anlaufstelle, die beim Aufbau neuer und Ausbau bestehender Strukturen
unterstützt. Neben den eingeführten Strukturen sollen verschiedene konzertierte Maßnahmen zur Erreichung unserer Ziele beitragen: Erstens können Forschende
bei uns sogenannte Flexi Funds einwerben, um größere Verbundforschungsprojekte auf einen guten Weg zu bringen und damit Spitzenforschung zu fördern.
Zweitens richten wir in ausgewählten Spitzenforschungsbereichen an den beiden Universitäten vier Qualifikationsprofessuren ein und fördern die individuelle
Kooptation von Professorinnen und Professoren der Technischen Hochschule Mittelhessen an universitären Fachbereichen – beide Maßnahmen dienen dazu,
die Schlagkraft in Spitzenforschungsbereichen weiter zu erhöhen. Drittens stimmen sich die Hochschulen bei Berufungen in ausgewählten Bereichen strategisch
ab, um die bereits vorhandene komplementäre Ausrichtung erfolgreich fortzusetzen. Die vierte Maßnahme sprach ich bereits an – zur Förderung kooperativer
Promotionen haben wir eine Kooperative Promotionsplattform eingerichtet und zur Vergabe des Dr.-Ing. wird ein Ingenieurwissenschaftliches Promotionszentrum
aufgebaut.

Was sind die nächsten Schritte, was können wir erwarten?

Die Gründung des Forschungscampus Mittelhessen: Prof. Joybrato Mukherjee, JLU Gießen (l.), Prof. Katharina Krause, Universität Marburg (Mitte), Prof. Mathias Willems, THM, (r.), im Beisein von Minister Boris Rhein und Prof. Katja Becker, DFG (stehend)Das erste halbe Jahr seit Gründung des Forschungscampus im November 2016 haben wir dazu genutzt, die Strukturen und Gremien aufzubauen
und damit die Grundlage für die weitere Arbeit geschaffen. Nun geht es um die Umsetzung konkreter Projekte im Bereich der Forschung und Nachwuchsförderung.
Wir befinden uns gerade im Auswahlprozess der ersten Ausschreibungsrunde der Flexi Funds und haben bereits in dieser Runde 16 Anträge von hochschulübergreifend
arbeitenden Arbeitsgruppen erhalten. Auch wenn wir leider nicht alle Forschungsprojekte fördern können, ist die hohe Nachfrage für uns ein sehr gutes
Zeichen: Neben den bereits etablierten Schwerpunkten und Profilbereichen gibt es zahlreiche weitere Aktionsfelder in der Forschung, die großes Potential
für eine Zusammenarbeit der drei Partner bieten. Mit Spannung schauen wir auch auf den weiteren Verlauf der Exzellenzstrategie des Bundes und der Länder,
die der Förderung der Spitzenforschung in Deutschland dienen soll. In diesen Wettbewerb sind die beiden Universitäten des Forschungscampus u.a. mit
drei gemeinsamen Anträgen ins Rennen gegangen. Die Entwicklung im Bereich der Nachwuchsförderung ist nicht minder spannend. Seit 2016 ermöglicht das
Hessische Hochschulgesetz Hochschulen für angewandte Wissenschaften, bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen hochschulübergreifend oder auch alleine
Promotionszentren in ausgewiesenen Fächern einzurichten. Wir wollen diese Möglichkeit für den Aufbau unseres Ingenieurwissenschaftlichen Promotionszentrums
nutzen – dies ist ein Novum, da nicht andere Hochschulen für angewandte Wissenschaften, sondern mit der Justus-Liebig-Universität und der UMR zwei
Universitäten als Umsetzungspartner der Technischen Hochschule Mittelhessen fungieren. Die Hochschullandschaft in Mittelhessen wird durch den Verbund
der drei Partner vielfältiger, schlagkräftiger und attraktiver – für den wissenschaftlichen Nachwuchs, für Spitzenforschende, für außeruniversitäre
Forschungseinrichtungen und für die Wirtschaft. Das sind gute Aussichten für die prosperierende Region Mittelhessen.

Weitere Informationen auf der Website des Forschungscampus www.fcmh.de