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„Lust auf neue Technologie“ – eine mittelhessische Startup-Story

Regionalmanagement Mittelhessen GmbH Gepostet von Regionalmanagement Mittelhessen GmbH in Aktuelles aus Mittelhessen 9 min. Lesezeit

Von links oben nach recht unten: Dirk Rudolf (Unternehmer), Sven Griese (Anwalt und Rechtsberater), Daniel Winter (CTO), Michael Lukaszczyk (CEO) Reihe unten von links nach rechts: Ulli Boos (Unterstützer SWG), Jonas Faber (Entwickler), Fabian Beliza (Customer Success & Growth Hacker) und Noah Michael (Entwickler)Es gibt diese Geschichte von Elon Musk, dem Raketen- und E-Auto-Pionier aus Kalifornien: Genervt
vom Stau in Los Angeles beschloss er, die unzureichende Verkehrssituation in der Metropole selber zu verbessern. Mit einer selbstentwickelten Bohrmaschine,
der er den bezeichnenden Namen „Godot“ gab. „No longer waiting for Godot. It has begun boring and just completed the first segment of tunnel in LA.”,
twitterte Musk vor etwas einem Monat. Kein „Warten
auf Godot mehr“ also, er habe schon mal angefangen. Auch zwei Gründer in Gießen wollten im vergangenen Jahr nicht mehr warten, schon gar nicht auf
Samuel Becketts Schattenfigur, sondern das Heft selbst in die Hand nehmen
– mit dem Startup GraphCMS. Seit dem 1. August ist ihr Produkt nun am Start und sorgt für einigen
Furor in der Internet-Branche.

Michael Lukaszczyk sitzt an einem großen weißen Tisch in der GründerWerkStadt nicht weit von der Lahn. Monitore, Laptops und 4K-TVs prägen den ersten Eindruck.
Kurze Absprachen, das klackern der Tastaturen und vereinzelt der Kaffeautomat durchdringen die Stille. Die Stadtwerke Gießen haben die GründerWerkStadt für Startups eingerichtet. Doch davon später mehr. Michael
erzählt eine Geschichte, die noch nicht zu Ende ist, aber schon drei Akte hat: Die Handlung beginnt während des Startup-Weekends Mittelhessen im Mai vergangenen Jahres in Gießen, wo sie auch die GründerWerkStadt kennenlernen. Michael Lukaszczyk
und Daniel Winter hatten Lust auf „frische Technologien“, sagt Michael. Auf dem Startup Weekend MH entwickelten die beiden Gründer zusammen mit ihrem
damaligen Team „DataFlow“ – ein Markplatz für digitale Inhalte: „Das Konzept war nicht rund und es fehlte die technologische Grundlage“, sagt Michael
rückblickend.

Nicht schlimm, fanden Michael und Daniel, denn dann begannen sie neben ihrer Arbeit ein Content-Management-System (CMS) zu entwickeln, das ihren Ansprüchen
an „neuen Technologien“ genügen würde. „Headless“ sollte es sein und mit der neuesten Schnittstellen-Technologie arbeiten. So wurde GraphCMS geboren.
„Wir haben uns entschieden erst das Werkzeug zum Ablegen von digitalen Inhalten zu bauen, das Ideen wie DataFlow erst ermöglicht“, sagt Michael.

Was ist ein Headless CMS

Content-Management-Systeme stellen die Werkzeuge bereit, um schnell aktuelle Inhalte auf eine Website oder ein andere Plattform zu bringen. Üblicherweise
tun sie das ähnlich wie ein Schraubenschlüssel, der nur auf eine einzige Schraubengröße passt: Sie sind auf eine Plattform spezialisiert. Ein Headless
CMS funktioniert dagegen wie ein Steckschlüsselsatz: Es kann Inhalte an alle möglichen Systeme liefern. Nötig ist nur der entsprechende Aufsatz,
das Werkzeug bleibt dasselbe. So können Produzenten ihren Content zum Beispiel gleichzeitig auf einer Website, einer Smartphone-App oder auf Smart-TVs
veröffentlichen.

Dabei sind Headless CMS keine ganz neue Erfindung. Einer der bekanntesten Anbieter ist Contentful.
Aber: „Das besondere an GraphCMS ist die hochaktuelle Schnittstellen-Technologie von Facebook“, sagt Michael. Die heißt GraphQL – daher auch der Produktname – und ist der bisherigen Standard-Technik, REST (Representational State Transfer), bei Geschwindigkeit und Entwicklungskomfort deutlich überlegen. „Das spricht vor allem
Entwickler an“, betont Michael.

Damit begann der zweite Akt.

Das Startup-Weekend Mittelhessen, das übrigens in diesem Jahr erneut im Mai stattfand, erwies sich nicht nur als Gründer-Wettbewerb, sondern vor allem
auch als Plattform zum Netzwerken. Michael und Daniel vernetzten sich relativ schnell mit einem Jury-Mitglied, das gerne Zeit und Geld in vielversprechende
Technologien und Geschäftsmodelle investiert: Noel Zeh ist einer der Geschäftsführer der Düsseldorfer Beteiligungsgesellschaft Littlerock, die sich auf „Early-Stage-Start-ups“ spezialisiert hat – also auf Leute wie Michael Lukaszczyk und Daniel Winter.
Zeh wiederum brachte das Duo in Kontakt mit einem Kreis von Unterstützern, so genannten Business Angeln. Zu der sechsköpfigen Gruppe zählen der
Jurist Sven Griese, der junge Unternehmen in der Wachstumsphase betreut, und der Unternehmer Dirk Rudolf, der selber ein Startup in München betreibt.
Insgesamt sind es sechs Leute, die das Team von GraphCMS bei juristischen, finanziellen und unternehmerischen Fragen unterstützen.

Das GraphCMS-Team bei der Arbeit in der GründerWerkStadt der Stadtwerke Gießen„Das
sind alles Menschen, die von der Idee überzeugt sind“, sagt Ulli Boos, Marketing-Leiter bei den Stadtwerken Gießen (SWG), den Betreibern der Gründerwerkstadt,
die mit ihrer Expertise gerne weiterhelfen. Denn genau das ist der Sinn der 2015 eingerichteten SWG-Brutstätte für Startups: „Wir fördern Konzepte,
an die wir glauben.“ Zurzeit sitzen drei Teams in dem großen Raum, die Kaffeeküche mit dem Tisch in Konferenz-Größe stets in Reichweite: „Die Gründer
helfen sich gegenseitig weiter“, betont Boos. Und: Für viele Kleinigkeiten, mit denen sich Startups herumschlagen müssten, gäbe es bereits Lösungen,
beschreibt Rudolf seine Rolle als Business Angel. Jeden Montag gibt es eine Telefonkonferenz mit dem Unterstützerkreis. „Manche Probleme lösen
sich so ganz schnell“, sagt Griese.

Und nun der dritte Akt: Seit dem 1. August ist GraphCMS „live”; das Produkt ist online und hat ein Preisschild. Der große Monitor hinter den Arbeitsplätzen
des GraphCMS-Teams, zu dem Jonas Faber (Entwickler), Fabian Beliza („Customer Success & Growth Hacker”), Noah Michael (Entwickler) hinzugekommen
sind, zeigt den Fortschritt: neue „Deals”, Userzahlen, Twitter-Follower und Re-Tweets – Maßeinheiten für den Erfolg in der Informationsgesellschaft.
Mittlerweile hat es bereits Anrufe von Wagniskapital-Gebern aus dem Silicon Valley gegeben, berichtet Michael. „GraphQL schwimmt zurzeit auf einer
Hype-Welle”, fügt er hinzu. Doch die wird nicht lange von alleine rollen, das weiß auch Dirk Rudolf: „Es ist wichtig, dass wir das jetzt anschieben
– damit es in die nächste, größere Runde geht.”, und sich GraphQL vielleicht von einer mittelhessischen Startup-Story zur Erfolgsshow mit Aussicht
auf die zweite Staffel entwickelt.