Rund
300 junge Leute, zum größten Teil Flüchtlinge, sind in den vergangenen drei Monaten ins hessische Programm „Wirtschaft integriert“ gestartet. Bis Ende
Juli hatten bereits 67 von ihnen nach der Orientierungsphase eine Zusage für eine Einstiegsqualifizierung in einem Unternehmen, acht werden sogar unmittelbar
eine Berufsausbildung aufnehmen. „Die Resonanz übertrifft unsere Erwartungen“, sagte Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir bei einem Besuch im Berufsbildungs-
und Technologiezentrum (BTZ) der Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main. „Weitere Einstiegsqualifizierungen und Ausbildungen sind in Vorbereitung. All
dies ist Anlass für nüchternen Optimismus.“
Der Minister informierte sich in Frankfurt über die praktischen Erfahrungen mit dem im April begonnenen Programm, das eine durchgehende Förderkette von
der Berufsorientierung bis zum Ausbildungsabschluss für Flüchtlinge und junge Zuwanderer aufbaut. Sprachförderung ist dabei ein wichtiges Element.
„Damit ist Hessen bisher einzigartig im Ländervergleich“, sagte der Minister. Die Landesregierung stellt für das Programm 11 Mio. Euro bereit.
Zielgruppe sind Frauen und Männer unter 27 Jahren, die nur Grundkenntnisse in Deutsch haben und deshalb eine Ausbildung nicht ohne Hilfe bewältigen. Teilnehmen
können schon länger hier lebende Menschen mit Migrationshintergrund, anerkannte Flüchtlinge ebenso wie Asylbewerber mit Bleibeperspektive sowie geduldete
junge Menschen ohne Arbeitsverbot. An dem Programm beteiligen sich die Regionaldirektion Hessen der Bundesagentur für Arbeit, der Hessische Handwerkstag,
die Arbeitsgemeinschaft der hessischen Industrie- und Handelskammern sowie das Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft (BWHW).
Kooperationspartner in Frankfurt sind die Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main und das BWHW. „Die Duale Bildung ist Basis für die Prosperität in der Metropolregion
Frankfurt-Rhein-Main, und Integration ist für das Handwerk Verpflichtung wie Chance“, sagte Bernd Ehinger, Präsident der Handwerkskammer Frankfurt-Rhein-Main,
der darüber hinaus auch für die Hessische Wirtschaft die Gruppe Arbeitsmarkt im Asylkonvent der Hessischen Landesregierung leitet. „Wir möchten daher
auf den Vorteilen des bewährten Systems der Dualen Bildung aufbauen: Die Kombination aus theoretischem und praktischem Unterricht ist nicht nur Teil
der beruflichen Orientierung, sondern kann auch Start sein in ein neues Leben als Teil dieser Gesellschaft.“
Der Minister traf in Frankfurt mit zwei Teilnehmern des Programms zusammen: Moussa Dambele aus Mali lernt demnächst bei Team Simon den Beruf des Fliesenlegers.
„Team Simon hat mich und meine Fähigkeiten eine Woche lang geprüft. Nach dieser Woche hat mir der Chef Mario Simon angeboten, eine Ausbildung bei ihm
zu machen. Ich bin so happy, die Firma gefällt mir sehr gut, die Kollegen sind toll und die Arbeit auch“, sagte er am Donnerstag. „Für uns spielt es
keine Rolle, woher die Bewerber kommen. Es geht lediglich darum, ob sie Interesse an dem Beruf haben, diszipliniert und fleißig sind“, sagte Igor Kroschwald
von Team Simon.
Roona Hassani aus Afghanistan ist noch in der Einstiegsqualifizierung im Waldhotel Kelkheim. „Wir können dadurch eine motivierte junge Frau unterstützen
und haben gleichzeitig einen kulturellen Mehrwert“, sagte ihre Chefin Sonja Peter. „Nur um ein Beispiel zu nennen: Dank Roona konnten wir unser Frühstücksbüfett
mit einer afghanischen Karotten-Marmelade ergänzen. Gerade in der jetzigen Zeit, liegt es mir am Herzen aufzuzeigen, dass es ein Gemeinsam gibt und
dass Integration funktioniert. Ich möchte hier aber auch deutlich erwähnen, dass ohne die Unterstützung, wie z. B. die Einstiegsqualifizierung für
unser Familienunternehmen solch ein Schritt nicht möglich wäre.“ Roona Hassani mag das Hotel und ihre Arbeit. Sie strebt einen Berufsabschluss und
ein selbstständiges Leben an: „Wirtschaft integriert ist ein sehr gutes und hilfreiches Projekt für junge Migranten, und ich hoffe, dass es weiterhin
vielen jungen Menschen helfen kann.“
In der zwölfwöchigen Berufsorientierungsphase durchlaufen die jungen Männer und Frauen verschiedene Werkstätten, um herauszufinden, welcher Beruf zu ihnen
passt. Auch Sprachunterricht, Lern- und Integrationshilfen sowie sozialpädagogische Begleitung gehören zum Programm. „Im BTZ in Frankfurt haben wir
eine breite Berufspalette. Die Teilnehmenden konnten sich in den handwerklichen Berufsfeldern Sanitär-Heizung-Klima, Elektro, Metall, Friseur und Zweirad
ausprobieren“, sagte Lars Vellmer, Meister im Zweiradmechaniker-Handwerk in der im BTZ angesiedelten Bundesfachschule Zweirad. „Ausbilder und Lehrkräfte
sorgten dann für Kontakte zu Ausbildungsbetrieben und halfen beim Finden von Praktika und Ausbildungsplätzen. Das ist bei den ersten beiden Durchgängen
in Frankfurt gut gelungen. Fast alle haben ein Praktikum, eine Einstiegsqualifizierung oder sogar einen Ausbildungsplatz in Aussicht.“ Rund 1.000 Plätze
für Berufsorientierung mit Sprachförderung werden bis Anfang 2017 in den Bildungszentren des Hessischen Handwerks gefördert.
An die Orientierung schließt sich die Einstiegsqualizierung an, wie Juliane Timmerberg vom BWHW erläuterte: „Die Einstiegsqualifizierung über 6 bis 12
Monate ist eine Art Intensivpraktikum im späteren Ausbildungsberuf, gedacht für die Teilnehmer, bei denen der Ausbildungsbeginn noch nicht gleich klappt
oder zu schwer ist. An ungefähr 1,5 Tagen in der Woche werden sie auf den Ausbildungsbeginn und die Berufsschule durch Sprach- und Lernförderung, Stützunterricht
und sozialpädagogische Begleitung vorbereitet. Für die Einstiegsqualifizierung werden 700 Plätze in Hessen finanziert. Die intensive Begleitung setzt
sich während der Ausbildung fort. Mit Sprach- und Lernförderung und Beratung helfen Ausbildungsbegleiter den Flüchtlingen und ihren Ausbildungsfirmen,
Probleme und Hürden auf dem Weg zum Abschluss zu überwinden.“
Das Hessische Wirtschaftsministerium fördert diese Ausbildungsbegleitung und außerdem 400 Ausbildungsplätze für Auszubildende mit erhöhtem Sprachförderbedarf
mit durchschnittlich 4.000 Euro pro Platz.
16 Standorte von Wirtschaft integriert haben mit der Berufsorientierung begonnen. Fünf Standorte werden noch eröffnet. Mehr Informationen gibt es über
die Hotline 06421/3044728 oder über
www.wirtschaft-integriert.de . Dort können sich auch Unternehmen informieren, die Praktika, Einstiegsqualifizierungen oder Ausbildungsplätze
anbieten wollen.