Hidden Champions – darunter versteht man mittelständige Unternehmen, die in ihrem Segment zu den (Welt)- Marktführern gehören, aber relativ unbekannt sind. Auch in Mittelhessen gibt es viele solcher Unternehmen.
Doch wie kann eine Region wie Mittelhessen diese „heimlichen Gewinner“ ideal integrieren und fördern? Mit diesen Fragen und vielen weiteren Themen hat sich Carsten Rietmann, wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität Hannover beschäftigt und mehrere Region Deutschlands erforscht – so auch Mittelhessen. Die wichtigsten Punkte seiner Forschung hat er in unserem Interview noch einmal herausgestellt:
Was machen Ihres Wissenstandes nach „Hidden Champions“ aus?
Hidden Champions sind besondere Unternehmen aus dem Mittelstand, die vor allem in Deutschland beheimatet sind. Folgt man der Definition des Begründers des Konzeptes Hermann Simon, dann handelt es sich bei Hidden Champions um der Öffentlichkeit wenig bekannte kleine und mittlere Unternehmen, die hochinnovativ sind und in ihrer Produktnische eine kontinentale oder globale Marktführerschaft innehaben. Rund zwei Drittel aller Firmensitze von Hidden Champions befinden sich in Deutschland übrigens im ländlichen Raum. Ebenso viele Hidden Champions werden familiengeführt oder befinden sich in Familieneigentum. Dieser Firmentyp weist für seine meist ländlichen Heimatregionen in der Regel eine große Bedeutung auf, etwa in Bezug auf Steueraufkommen, regionale Beschäftigung, Ausbildung, Entwicklung der Infrastruktur, regionalem Engagement und auch Identitätsstiftung.
In Ihrer Forschung haben Sie sich mit verschiedenen Regionen innerhalb Deutschlands beschäftigt, so auch mit Mittelhessen. Wieso haben Sie sich entschieden, gerade über Mittelhessen zu forschen?
Mittelhessen war für unseren Forschungskontext sehr relevant. Erstens hat die Region eine bemerkenswert hohe Dichte an Hidden Champions. Beschäftigt man sich näher mit den mittelständischen Unternehmen in Mittelhessen, kommen direkt die Cluster in der Optik- und Verpackungsindustrie in den Sinn. Aber auch weitere Branchen haben zahlreiche Hidden Champions hervorgebracht. Außerdem stellt Mittelhessen neben den weiteren Untersuchungsregionen Weserbergland, Harz und der Lausitz mit anderen Wirtschaftsstrukturen eine ideale Ergänzung dar. Neben langjähriger eigener Forschung der Leibniz Universität Hannover in Mittelhessen arbeiten wir in unserem Projekt übrigens eng mit der Justus-Liebig-Universität Gießen zusammen. Deren regionales Wissen und Vernetzung war ein weiterer Vorteil bei der Forschungsarbeit.
Was sind Ihre Haupterkenntnisse zur regionalen Integration und Vernetzung von Hidden Champions?
Die regionale Vernetzung und Integration von Hidden Champions haben wir durch das Konzept der regionalen Innovationssysteme untersucht. Wir haben herausgefunden, dass sich diese Integration zwischen verschiedenen Hidden Champions stark unterscheidet und sowohl durch unternehmensinterne als auch durch -externe Faktoren beeinflusst wird.
Als wichtige unternehmensinterne Einflüsse wurden die Eigentümerstruktur, die Unternehmensgröße und der Organisationsstatus identifiziert. Hidden Champions, die familiengeführt werden, sind im Durchschnitt stärker regional vernetzt als andere Firmentypen. Familiengeführte Hidden Champions suchen oft bewusst lokal nach Partnern, nutzen aufgebautes Vertrauen in der Region und binden aktiv lokale Universitäten in Projekte ein. Dies führt zu einer starken Verflechtung mit regionalen Forschungseinrichtungen. Es trifft jedoch nicht auf alle dieser Firmen zu: Einige entscheiden sich bewusst für den Weg der strengen Geheimhaltung und meiden auch regionale Netzwerke. Darüber hinaus sind Hidden Champions, die zu größeren und oftmals internationalen Unternehmen gehören, oftmals in einem geringeren Ausmaß regional integriert. Dies liegt insbesondere in anderen Entscheidungsstrukturen begründet.
Darüber hinaus sind unternehmensexterne Einflüsse, die den Standort und die Region betreffen, ebenso wichtig. Je mehr regionale Innovationsressourcen vorhanden sind, desto stärker waren die untersuchten Hidden Champions in der jeweiligen Region integriert. Hierzu zählen beispielsweise Bildungs- und Forschungseinrichtungen, qualifizierte Fachkräfte und relevante Kunden und Zulieferer als Innovationspartner. Die regionale Wissensbasis spielt also eine wichtige Rolle. In Mittelhessen sind hierbei insbesondere die Cluster für Optik und Verpackung zu nennen. Unsere Untersuchungen haben gezeigt, dass hier regionale Hidden Champions vergleichsweise stark miteinander kooperieren. Hilfreich sind die außerdem die räumliche Nähe zu größeren Städten mit dichten Forschungsökosystemen wie Gießen. Zusätzlich verändert die Digitalisierung die Bedeutung regionaler Innovationssysteme.
Welche Handlungsempfehlungen würden Sie Regionen geben, um die Hidden Champions regional einzubinden?
Vergleichsweise große Hidden Champions können durch ihre Rolle als Ankerunternehmen eine zusätzliche Bedeutung für die Stärkung regionaler Innovationssysteme in ländlichen Räumen haben. Eine aktive Ansprache dieser Unternehmen durch Regionalmanagement und Wirtschaftsförderung kann einen Gewinn für die Regionalentwicklung darstellen. Hierzu tragen auch Informations- und Beratungsangebote über potenziell relevante regionale Kooperationspartner und Unterstützung bei der Koordination dieser Kooperationen bei. Unsere Forschungsinterviews haben gezeigt: Oftmals fehlt schlicht das Bewusstsein über die Ressourcen in der eigenen Region. Die Unterstützung von Start-Ups, die oft mit Hidden Champions kooperieren, kann hier ebenso hilfreich sein. Außerdem kann die Stärkung von familiengeführten Hidden Champions, etwa im Rahmen von Nachfolgefragen, deren regionale Integration noch verstärken.
Ein herzliches Dankeschön geht an Herrn Rietmann für die Beantwortung unserer Fragen!
Das hier vorgestellte Forschungsvorhaben “Hidden Champions als zentrales Element der Stabilisierung ländlicher Regionen in Zeiten der Digitalisierung” (HiDi) der Justus-Liebig-Universität Gießen und der Leibniz Universität Hannover wird vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) im Rahmen der Fördermaßnahme „Ländliche Räume in Zeiten der Digitalisierung“ gefördert.