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Im Gespräch mit Dr. Maik Luu: Lassen sich Freizeitaktivitäten mit einem Doktortitel vereinen?

Regionalmanagement Mittelhessen GmbH Gepostet von Regionalmanagement Mittelhessen GmbH in Aktuelles aus Mittelhessen 14 min. Lesezeit

Er hat seinen Doktor der Humanbiologie bereits mit 25 Jahren gemacht: Dr. Maik Luu aus Marburg. (Quelle: Christina Mühlenkamp (Philipps-Universität Marburg))Für unseren Karriereblog sind wir immer wieder auf der Suche nach abwechslungsreichen Erfolgsgeschichten
von inspirierenden Persönlichkeiten aus unserer Region. Und diese Bezeichnung hat Dr. Maik Luu aus Marburg definitiv verdient. Er hat nicht nur bereits
mit 25 Jahren seine Dissertation fertiggestellt und darf sich offiziell als Doktor der Humanbiologie bezeichnen, sondern besitzt viele weitere Interessen,
mit denen er sich in seiner Freizeit beschäftigt. So ist er ehrenamtlicher Trainer des Deutschen Alpenvereins,
engagiert sich im Tierheim Cappel und möchte in Zukunft ein Kochbuch mit eigenen Rezepten
aus seiner Studienzeit veröffentlichen. Doch um nicht zu viel vorwegzunehmen, lesen Sie einfach selbst, was er uns aus seinem Leben erzählt hat und
welche Tipps er Studierenden mit auf den Weg geben möchte:

Leben & Karriere in Mittelhessen, was heißt das für Sie?

Was sich jeder von uns wünscht, ist sicherlich eine ausgeglichene Work/ Life-Balance. In einer Region sind also nicht nur gute Perspektiven zur beruflichen
Gestaltung nötig, sondern ebenso vielfältige Möglichkeiten sich abseits des Berufs mit Ausgleich zu versorgen und zu verwirklichen. In Mittelhessen
habe ich meine akademische Ausbildung begonnen und viele, teils sehr unterschiedliche, Etappen durchlebt, die mich sehr facettenreich geprägt haben.
Keine davon würde ich heute missen wollen. Zwar kämpfen wir im universitären Betrieb oft erschwert um Gelder sowie Publikationen und konkurrieren in
Hessen mit den großen Exzellenz-Hochschulen, jedoch habe ich gerade die Ausbildung hier als sehr persönlich und einbeziehend empfunden. Gleichzeitig
bot das Leben in Marburg und Umgebung sowohl Ruhe, als auch Geselligkeit, umgeben von Studenten. Ich habe meist gefunden, was immer ich gesucht habe.

Wussten Sie vor ihrem Studium, was die Region wissenschaftlich zu bieten hat?

Tatsächlich war mir das wissenschaftliche Angebot vor Beginn des Studiums sowie in den ersten Semestern kaum bekannt. Initial hat mich der Studiengang
Humanbiologie/ Biomedical Science nach Marburg gezogen, welcher zu meiner Zeit noch an wenigen Universitäten angeboten worden ist. In Marburg hat die
Humanbiologie ihre Ursprünge und bietet zudem eine ausgeprägte Ausbildung im Bereich Infektionsbiologie/ Immunologie, was in dieser Form auch heute
noch selten ist. Gerade der Zugang zur Immunologie ist aufgrund ihres großen Facettenreichtums nicht leicht. Dass mich gerade dieses Feld reizt, habe
ich auch erst im Verlauf meines Studiums gemerkt. Ich habe einen Großteil meiner Zeit neben dem Hubi-Studium in Laboren des Max-Planck-Instituts oder
des LOEWE-Zentrums für Synthetische Mikrobiologie (Synmikro) verbracht, welche ganz andere Systeme und Perspektiven mit denselben molekularbiologischen
Methoden bearbeiten. All diese Stationen waren eine umfangreiche und bereichernde Schule – handwerklich, strategisch und menschlich – und zudem nur
wenige Meter von unserem Labor entfernt. Es hat also eine kleine Weile gebraucht im Studium anzukommen, um dann festzustellen was nicht alles „um die
Ecke“ zu finden ist.

Was liegt Ihnen an Marburg?

Marburg ist für mich in den letzten Jahren zu meinem Zuhause geworden. Hier habe ich studiert, meine besten Freunde gefunden und mich wissenschaftlich
entwickelt sowie etabliert. Immer wenn ich die Zeit seit dem Studium vor dem inneren Auge vorüberziehen lasse, bin ich unbeschreiblich dankbar für
alle Menschen, die ich seitdem kennenlernen durfte. Es haben mich so viele Gefährten auf meinem bisherigen Weg begleitet und mir fachlich und menschlich
Orientierung gegeben.

Zudem habe ich außerhalb des Berufs viel Ausgleich gefunden. Abseits vom Jam im Bandkontext oder Tischtennis beim VfL Marburg als Fortführung meiner Hobbies
aus der Heimat, hätte ich beispielsweise nie gedacht mal als Koch in einem Sushi-Restaurant zu arbeiten oder ein Kochbuch mit eigenen Rezepten zu erstellen.
Als jemand der unter starker Höhenangst leidet bzw. gelitten hat, hätte ich ebenso nicht gedacht mal ehrenamtlich als Trainer des Deutschen Alpenvereins
Kurse für Klettern und Bouldern zu geben oder gar bei jeder Städtereise mit Kletterschuhen bestückt die dortigen Boulderhallen auszukundschaften. Sogar
meine Zuneigung zu Hunden hat durch meine ehrenamtliche Arbeit mit den Tieren des Tierheims Cappel Platz gefunden. Die Erinnerungen, Begegnungen und
Erlebnisse aus meiner Zeit hier machen Marburg zu meinem Zuhause und die Teams im Labor, in der Kletterhalle und im Tierheim zu einer großen Familie.

Welche Pläne verfolgen Sie für die Zukunft?

Ich würde mich freuen noch weitere Erfahrungen in der akademischen Laufbahn machen zu können. Besonders die Arbeit im translationalen/ therapeutischen
Bereich der Tumor-Immunologie reizt mich, welche sicherlich auch in Zusammenarbeit mit Partnern aus der Industrie noch sehr perspektivenreich sein
kann. Darüber hinaus habe ich mir schon lange zum Ziel gemacht Rezepte und Fotos der entsprechenden Gerichte aus meiner Studienzeit zu einem Kochbuch
zusammenzufassen. Mein Foodblog mit dem Titel „Cooking like a Student“ war ursprünglich gedacht, um zu zeigen, was in einer winzigen Küche mit 2 Kochfeldern
für Möglichkeiten für leckeres, ästhetisches und abwechslungsreiches Essen bestehen, wenn man ein paar Kniffe kennt. Langfristig möchte ich natürlich
sesshaft werden und mehr Sicherheit verspüren. Die nächsten Jahre werden bestimmt noch aufregend, aber ich freue mich auch schon sehr auf die Zeit,
in der ich „angekommen“ bin.

Welchen Tipp würden Sie Studierenden mit auf den Weg geben? Haben Sie eine Art „Leitspruch“, der Sie begleitet hat?

Gerade am Anfang des Studiums kann man noch kaum einschätzen, ob es das richtige ist. Wichtig sollte am Ende sein, ob das Studium und das Berufsbild Spaß
machen. Schaut man bei der Arbeit nicht auf die Uhr und empfindet den Beruf als Hobby, ist es eine tolle Motivation, um sich weiterzuentwickeln. Auch
wenn man auf Hindernisse stößt, lohnt es sich nicht direkt die Flinte ins Korn zu werfen. Bekanntlich wächst man an seinen Herausforderungen, die man
sich vielleicht auch das ein oder andere Mal selbst auferlegen muss. Dazu gehört möglicherweise ebenso sich sozial zu engagieren, obwohl die Zeit knapp
ist. Ich bin heute noch erstaunt wie viel mir der Einsatz für andere zurückgegeben und mich menschlich geprägt hat.

Zudem ist es sehr hilfreich, wenn man jemanden in seinem Umfeld als Mentoren hat, der mit seiner Erfahrung anleiten kann. So lernt man sich schnell im
Berufsfeld, bei der Promotion oder bei der Abschlussarbeit zu orientieren und in die bestehenden Systeme zu integrieren. So kann man in einem beschützten
Umfeld schnell vorankommen. Ein gesunder Ausgleich sollte aber nie zu kurz kommen. Sport, Hobbys und Unternehmungen mit Freunden schaffen wieder Raum
für gute Ideen. Einen Leitspruch habe ich zwar nicht, aber in Gedanken versuche ich immer dankbar dafür zu sein in einem so privilegierten Land leben
und arbeiten zu dürfen. Gerade Forschung ist meist nur in Ländern mit ausreichenden finanziellen Mitteln möglich. Dann noch einen Job zu haben, in
dem man seiner Neugierde nachgeht, ist eine glückliche Fügung. Es geht vielen Menschen also deutlich schlechter als uns, weshalb ich versuche mich
nicht über Kleinigkeiten im Alltag zu beschweren. Manchmal hilft es schon sich in ärgerlichen Situationen mit dem „Warum“ auseinanderzusetzen und die
Perspektiven zu tauschen. Das schafft Verständnis und man überwindet Niederlagen sowie Konflikte konstruktiv, egal ob beruflich oder privat.

In einen Beitrag haben Sie davon gesprochen, dass ihre Eltern stets bemüht waren, dass Sie eine gute Bildung bekommen. Hat sich das auch in Ihrer Unterstützung widergespiegelt, also waren sie streng oder haben Ihnen die Dinge überlassen?

Meine Eltern sind vietnamesische Boatpeople und tatsächlich sehr streng gewesen, wenn es um Bildung ging. Als Kind war es schwierig für mich zu verstehen,
wieso sie mit solchem Nachdruck Wert darauf gelegt haben, dass meine Schulnoten sehr gut sind und angesehene Berufe wie Jurist oder Arzt im Mittelpunkt
stehen. Meine Eltern waren so fordernd, obwohl sie selbst weder Studium noch Ausbildung abgeschlossen haben. Dabei wollten sie stets, dass mein Bruder
und ich in der Zukunft ein gesichertes Einkommen haben, das nicht von Existenzängsten und den Risiken der Selbstständigkeit geprägt ist. In der Schule
hatte ich das Glück, dass ich ein gutes Verständnis für Biologie und Chemie an den Tag legen konnte, was mir die Studienwahl erleichtert hat. Der Notendurchschnitt
wurde besser und meine Eltern zuversichtlicher in Bezug auf meine Entscheidungen. Heute bin ich ihnen unglaublich dankbar dafür, dass sie uns vermittelt
haben wie wichtig Bildung in der Gesellschaft ist und stolz auf das, was sie sich Jahre lang mit ihren bloßen Händen aufgebaut haben, um uns den Zugang
zu Bildung zu gewährleisten. Sie haben sich immer gewünscht, dass mein Bruder und ich mit gutem Beispiel vorangehen und zeigen wie viel man aus eigener
Kraft erreichen kann ohne das Gefühl für Dankbarkeit zu verlieren. Nun im Beruf angekommen, sind wir an der Reihe, etwas zurückzugeben sowie unseren
Teil zur Gesellschaft beizutragen.

Wir möchten uns ganz herzlich bei Dr. Maik Luu für das informative Interview und seine Offenheit bedanken. Das Interview bietet einen interessanten und
persönlichen Einblick in sein Leben und seine Karriere im Bereich der Humanbiologie. Danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben, unsere Fragen ausführlich
zu beantworten.