Kürzlich hörte ich einen Vortrag zum Thema Innovation. Gehalten hat ihn ein Level-C-Manager eines großen deutschen Unternehmens. Er sagte etwas, das mich eine ganze Weile fuchste. Ich wusste vorerst nicht, warum ich so allergisch darauf reagierte.
Dann wurde mir klar, dass das, was er sagte, einfach zeigt, warum die meisten deutschen Mittelständler nicht einmal annähernd ihre Innovationskraft so kommerzialisieren, wie sie es gerne würden.
Er berichtete, dass seine Firma kürzlich einen Hackathon veranstaltet hatte. Ziel des Hackathons war es, innovative Produkte für mittelständische Unternehmen zu entwickeln. Der Hackathon wurde mit Wirtschaftsstudenten einer Elitehochschule und hochrangigen Managern durchgeführt. Während des Frage- und Antwortteils des Vortrags wurde er gefragt, wie viele der HACKATHON Teilnehmer programmieren konnten.
Er antwortete programmieren zu können, sei nicht notwendig. Es wäre oft eher ein Hindernis für die Kreativität. Programmierer wären oft zu kritisch und würden verhindern, was tatsächlich möglich ist.
Es wurde noch schlimmer. Er sagte, dass wenn Wirtschaftsstudenten großartige Ideen hätten, diese dann einfach an die IT-Abteilungen weitergegeben würden. Die IT Abteilung mache das schon.
Das ist natürlich falsch. Empirisch ist eindeutig belegt, dass in der Regel super erfolgreiche Startups von Menschen ins Leben gerufen werden, die etwas bauen können, was sie selbst nutzen wollen.
Wenn sie im Detail verstehen wollen, warum die Meinung falsch ist, dass EntwicklerInnen für die Ideenfindung hinderlich oder nicht notwendig sind, empfehle ich, Paul Grahams Essay „Billionaires Build“ zu lesen. Er legt klar dar, dass Gründer im Idealfall in der Zukunft leben müssen. Hier ist ein Auszug: “In the sense of being at the leading edge of some kind of change, and who are building something they themselves want. Most super-successful startups are of this type. Steve Wozniak wanted a computer. Mark Zuckerberg wanted to engage online with his college friends. Larry and Sergey wanted to find things on the web. All these founders were building things they and their peers wanted, and the fact that they were at the leading edge of change meant that more people would want these things in the future.“
Offenbar hatte der Manager nicht bedacht, was nötig war, um den Start seines eigenen Unternehmens vor 100 Jahren überhaupt möglich zu machen. Ein wichtiger Parameter war damals die Bereitschaft der breiten Bevölkerung, sich mit innovativen Produkten auseinanderzusetzen. In der Tat war zum Zeitpunkt der Gründung seines Unternehmens vor einem Jahrhundert bei ausreichend vielen Deutschen Wissen über modernste Fertigungstechnologien vorhanden.
Was hat das mit der Innovationskraft des Mittelstandes zu tun, werden sie sich vielleicht fragen? Es gibt keine geheime Zutat, die aus dem Nichts kommt und dem Mittelstand plötzlich Produkte wie aus dem Silicon Valley beschert. Wenn der Mittelstand weiterhin die wichtigsten Parameter ignoriert, wird er nicht mit innovativen Produkten aufwarten können, die die Menschen in Zukunft nutzen wollen.
Einer der wichtigsten Parameter, mit dem sich nicht nur der deutsche Mittelstand auseinandersetzen sollte, ist, dass „Forschung & Entwicklung“ eine hohe Rentabilität braucht. Mit anderen Worten: Erfindungen müssen sich auszahlen. Sie brauchen einen hohen Return on Investment (ROI).
Um einen hohen ROI zu erhalten, sollten die meisten der folgenden Parameter gegeben sein. Nicht alle der folgenden Punkte sind vom Mittelstand kontrollierbar.Ich erwähne die Punkte nur, weil sie interessant sind. Wenn sie mögen, beantworten sie für sich selbst, ob deutsche Unternehmen hinter den Punkten einen Haken machen können:
Anspruchsvolles Entwicklungs- und Ingenieurwissen hält Einzug in alle Ebenen der GesellschaftExperten aller Fachrichtungen können programmieren oder verstehen zumindest wie Software funktioniertInvestoren sind bereit, hohe Risiken einzugehen und aufstrebende Entwickler/Ingenieure mit Ressourcen und Netzwerk in frühen Unternehmensphasen zu unterstützenGründungskosten sind niedrig, die Prozesse für den Start eines Unternehmens sind schnellDie Gesellschaft muss im Allgemeinen von entschlossenem Optimismus angetrieben werden, der von der Überzeugung getragen wird, die eigenen Lebensumstände zu verbessernDie Regulierung für neue innovative Produkte ist geringDie Lebensqualität ist für junge Menschen attraktivBerufsbefähigende Bildung ist fähigkeitsbasiert, nicht abschlussbasiertBerufsbefähigende Bildung hat einen hohen ROI in den ersten 1-3 Jahren nach AbschlussKeine Ideologie ist vorherrschendDie gesamte Gesellschaft muss über Beteiligungen an der Wertschöpfung der neuen Produkte teilhaben (wie der nordische Pensionsfonds oder die Idee von Sam Altman)
Die folgenden Daten zeigen, wie gut sich F&E in bestimmten Ländern auszahlt.
Mit den jüngsten Börsengängen in den USA (exklusive der Covid-19 F&E und Impfproduktion) dürfte sich das Verhältnis noch mehr verschlechtert haben.
Es sieht so aus, als ob der deutsche Mittelstand in Schwierigkeiten ist.
