Die Zahl der Arbeitslosen in Mittelhessen ist im Oktober 2018 um 280 auf 25.524 gefallen. Die Zahl der sozialversicherten
Jobs befindet sich auf einem Rekordhoch. „Zwar hat sich die Anzahl der Langzeitarbeitslosen seit 2008 stark reduziert, trotzdem gibt es in Mittelhessen
noch mehr als 9.000 Langzeitarbeitslose und auch immer mehr große Familien, in denen niemand arbeitet. Jetzt ist die richtige Zeit für eine Jobcenter-Offensive,
um so viele wie möglich dauerhaft in Arbeit zu bringen. Gerade mit vielen gemeldeten offenen Helferstellen bietet der Arbeitsmarkt aktuell eine Menge
Chancen“, sagte Sascha Drechsel, mittelhessischer Geschäftsführer der Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände e.V. (VhU).
Drechsel ergänzte, dass viele Langzeitarbeitslose in der Region gesundheitlich unterstützt werden müssten. „Eine nach wie vor unbekannte, mutmaßlich aber
nennenswerte Zahl der Langzeitarbeitslosen kann aus gesundheitlichen Gründen nur drei, vier oder fünf Stunden täglich arbeiten. Für diese Personen
ist die Rückkehr in Arbeit besonders schwer. Deshalb sollten die Jobcenter für Arbeitslose mit gesundheitlichen Einschränkungen wenn nötig schnell
Rehabilitations-Maßnahmen einleiten – auch in Zusammenarbeit mit den Krankenkassen und Rentenversicherungsträgern. Wenn möglich muss die volle Arbeitsfähigkeit
wieder hergestellt werden. Nur für einen sehr kleinen Personenkreis – mindestens sieben Jahre langzeitarbeitslos mit gesundheitlichen Einschränkungen
– kommt hingegen ein sog. Sozialer Arbeitsmarkt in Frage“, erklärte Drechsel.
15 Punkte für weniger Langzeitarbeitslosigkeit in Hessen: Vermittlungspraxis der Jobcenter verbessern
1. Die Jobcenter müssen die individuellen Fähigkeiten, Stärken und Qualifikationen der Langzeitarbeitslosen in Hessen detailliert erfassen und für eine
passgenaue Beratung, Förderung und Vermittlung nutzen.
2. Die Jobcenter müssen gesundheitliche Einschränkungen der Langzeitarbeitslosen erfassen und frühzeitig Reha-Maßnahmen einleiten, damit die Beschäftigungsfähigkeit
schnell wieder hergestellt wird und Dauerkrankheit vermieden werden kann. Denn erwerbsfähig ist nach dem SGB II bereits, wer mindestens drei Stunden
täglich arbeiten kann.
3. Die Jobcenter müssen die rund 30.000 Aufstocker in Hessen, die lediglich einen Minijob oder eine selbständige Tätigkeit ausüben, mit der sie ihre Existenz
nicht selber sichern können, durch Einfordern von Eigenbemühungen und Arbeitsangebote in eine existenzsichernde Beschäftigung führen. Deshalb sollte
der gesetzliche Fehlanreiz, sich in Kleinstbeschäftigungen einzurichten und diese mit Arbeitslosengeld II zu ergänzen, gestrichen werden.
4. Nur etwas über die Hälfte der Langzeitarbeitslosen, die eine sozialversicherte Beschäftigung aufnehmen, sind auch nach 12 Monaten noch in Arbeit. Deshalb
sollten ehemalige Arbeitslosengeld-II-Bezieher bei Bedarf auch nach Aufnahme einer Arbeit weiter durch die Jobcenter beraten und unterstützt werden,
damit sie sich im Job wieder zurechtfinden und nicht in Arbeitslosigkeit zurückfallen.
5. Die Jobcenter müssen für die Bürger in einem verständlichen Bericht Rechenschaft über Kosten und Nutzen der Arbeitslosengeld-II-Verwaltung ablegen.
Nur hierdurch entsteht für die Jobcenter der Anreiz, ihre Arbeit systematisch zu verbessern. Präventiv ansetzen – Eigenverantwortung stärken
6. Die Hauptursache für Arbeitslosigkeit ist fehlende Bildung. Über die Hälfte der Arbeitslosen hat keinen Berufsabschluss. Deshalb muss die Zahl der Schulabbrecher
und Personen ohne Berufsabschluss reduziert werden, indem insbesondere Kinder aus sozial benachteiligten Haushalten frühzeitig und individuell gefördert
werden. Die Teilzeitausbildung bietet Betrieben und jungen Menschen eine noch zu selten genutzte Möglichkeit, trotz familiärer Pflichten einen Berufsabschluss
zu erlangen.
7. Auch die Anstrengungen, Erwachsene zu einem beruflichen Abschluss zu bringen, müssen intensiviert werden. Weiterbildung sollte sich aber nicht nur an
den Stärken und Interessen des Einzelnen, sondern auch an den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes orientieren. Nur so können auch Enttäuschungen und Motivationsverluste
bei den betroffenen Menschen vermieden werden. Die 15 Punkte für weniger Langzeitarbeitslosigkeit – 30. Oktober 2018 2 Weiterbildung sollte nur gefördert
werden, wenn der im Ergebnis erzielte Berufsabschluss gute Arbeitsmarktperspektiven bietet und die Aussichten auf eine möglichst dauerhafte Beschäftigung
oberhalb der Helferebene verbessert.
8. Arbeitslose unter 25 Jahren dürfen nicht die Erfahrung machen, ohne Gegenleistung von der Solidargemeinschaft alimentiert zu werden. Wenn ihnen nicht
sofort eine Ar- beit, Ausbildung oder Qualifizierung vermittelt werden kann, muss Ihnen umgehend eine verpflichtende Arbeitsgelegenheit angeboten werden.
9. In Hessen gibt es 6.800 Familien mit fünf oder mehr Mitgliedern in denen niemand erwerbstätig ist. Aus diesen Familien sollte immer mindestens ein Erwachsener
in Arbeit oder eine Maßnahme vermittelt werden, damit die Kinder und Jugendliche nicht die Erfahrung machen, dass Wohnung, Essen und Kleidung auf Dauer
ohne Gegenleistung vom Amt bezahlt werden.
10. Die Kommunen müssen Sozialen Brennpunkten insbesondere im städtischen und großstädtischen Bereich mit vielen Arbeitslosen und Arbeitslosengeld-II-Beziehern
durch ein wirksames Quartiersmanagement begegnen – mit Stadtentwicklung und Vernetzung der örtlichen Akteure aus Verwaltung, Politik, Vereinen und
Wirtschaft ei- nerseits und den Bewohnern andererseits.
11. Ein funktionsfähiger Sanktionsmechanismus ist unentbehrlich für die konsequente Aktivierung der Langzeitarbeitslosen. Die bestehenden Sanktionen überfordern
die Hilfebedürftigen in keiner Weise und unterstreichen das richtige und notwendige Gegenleistungsprinzip der Fürsorgeleistung Arbeitslosengeld II.
Hindernisse für die Aufnahme von Arbeit abbauen
12. Flexible Beschäftigungsformen wie Zeitarbeit, befristete Arbeitsverhältnisse, Teilzeit und Minijobs sind für Langzeitarbeitslose das Sprungbrett in
Beschäftigung. Diese Jobchancen dürfen nicht durch immer neue Regulierungen geschwächt werden.
13. Viele Langzeitarbeitslose sind gerade beim Einstieg in Arbeit den Anforderungen eines Arbeitsplatzes, der mit 8,84 Euro entlohnt werden kann, noch
nicht gewachsen. Die Ausnahme vom Mindestlohn für Langzeitarbeitslose muss von 6 auf 12 Monate ausgeweitet werden um insbesondere Niedrigqualifizierten
den Einstieg in Arbeit zu ermöglichen.
14. Fast jeder zweite Langzeitarbeitslose im Arbeitslosengeld-II-Bezug in Hessen hat einen Migrationshintergrund. Langzeitarbeitslose mit Migrationshintergrund
müssen gezielt beim Erwerb der deutschen Sprache gefördert werden. Förderangebote müssen ausreichend dotiert sein, dauerhaft zur Verfügung stehen und
allen Erwerbsfähigen mit sprachlichen Defiziten offen stehen.
15. In Hessen gibt es rund 40.000 Alleinerziehende im Arbeitslosengeld-II-Bezug. Keine Beschäftigungsaufnahme darf an fehlender Kinderbetreuung scheitern.
Die Kommunen sind hier in der Pflicht, ausreichend Betreuungsmöglichkeiten zu schaffen oder notfalls Geld für Tagesmütter bereitzustellen.