Mittelhessen will für Newcomer
attraktiv sein. Das zeigen zum einen die Initiativen des Regionalmanagements wie „Newcomers Day @ …“, Newcomer-App und Newcomer-Guide oder auch der Newsletter „WELCOME“. Und auch die meisten
Unternehmen wissen, dass die Sicherung von Fachkräften in der Region nur geht, wenn man Menschen aus anderen Teilen Deutschlands, Europas und der Welt
die Region möglichst schmackhaft macht. Auch wenn Mittelhessen hier vieles richtig macht, so fehlt nach Meinung von Fachleuten ein wichtiger Baustein:
Es gibt in Mittelhessen kaum Angebote für möbliertes Wohnen.
„Internationale Fach- und Führungskräfte kommen aus Ländern, in denen die Wohnsituation oft anders ist“, sagt Stephanie Steen von Steen Relocationservice. Dort sei es unter Umständen nicht üblich, eigene Möbel zu besitzen, oder aber man
vermiete bei einem Ortswechsel die eigene Immobile inklusive der Möblierung. Das macht Sinn, denn „manchmal dauert ein Arbeitsvertrag nur drei Jahre,
dann reist die Person wieder in ein anderes Land“, sagt Steen. Menschen seien heute aus der Notwendigkeit heraus wesentlich flexibler, als wir das
bisher gewohnt seien.
Ein anderer Grund sei oft auch, dass der Transport der eigenen Möbel länger dauert, als dass bis zu deren Ankunft gewartet werden kann. So könne der Transport
im Container zum Beispiel aus Australien gut zwei Monate dauern. Und bei aller Flexibilität wollten die Fach- und Führungskräfte und ihre Angehörigen
in der Regel ein Objekt, das sie für ihre Zeit in der Region auch als Zuhause annehmen können, berichtet Steen. Eine einfache Ferienwohnung reiche
da in der Regel nicht. „Großzügig, komplett und repräsentativ soll es sein.“
Steen hat in diesen Dingen Erfahrung, denn mit ihrem in Wetzlar beheimateten Stephanie Steen Relocation Service ist sie seit vielen Jahren im Geschäft,
wenn es darum geht, Fach- und Führungskräften beim Ankommen in Mittelhessen persönlich zu beraten. Dabei kümmert sie sich um alles, was den Wechsel
in eine neue Umgebung in der Regel kompliziert macht: Neben der passenden Immobilie sind das auch Behördengänge, die Suche nach einer Schule für die
Kinder und insgesamt alle kleinen und großen Frage des Ankommens in Mittelhessen. „Be welcome from the first moment“, schreibt die geprüfte Wirtschaftsübersetzerin in ihrem Xing-Profil.
Und um gut anzukommen, braucht man eben die passende Unterkunft: Im Frankfurter Nordend, so verrät ein Blick auf einschlägige Immobilienseiten, gibt es
die Ein-Zimmer-Wohnung möbliert für etwas mehr als 900 Euro im Monat inklusive Nebenkosten. Für ein Drei-Zimmer-Objekt in Niederrad werden zu den gleichen
Bedingungen 2000 Euro fällig. Das scheint attraktiv für Vermieter zu sein, die auf zuverlässige weil liquide Mieter hoffen können. Oft kommt die Miete
direkt vom Unternehmen pünktlich aufs Konto. Solche Objekte im mittelhessischen Gießen, Marburg, Wetzlar oder Limburg? Ein Blick in die diversen Angebote
verrät: Fehlanzeige.
Warum gibt es so etwas nicht in Mittelhessen, dass sich als Region ansonsten doch bemüht, für internationale Fach- und Führungskräfte attraktiv zu werden.
„Ich habe die Makler in und außerhalb unseres Netzwerks gefragt“, sagt Jens Ihle, Geschäftsführer der Regionalmanagement Mittelhessen GmbH (RMG). Das
Ergebnis: Möbliertes Wohnen ist für die Anbieter in Mittelhessen offenbar wirtschaftlich zurzeit nicht interessant, denn „der Immobilien-Markt der
mittelhessischen Zentren boomt“. Offenbar verstünden Investoren eine Möblierung als Mehraufwand, der sich nicht lohne, resümiert Ihle. Denn Bauherren
und Eigentümer werden ihre Objekte langfristig ohne Probleme auch so los.
Ist das Konzept für Mittelhessen also gescheitert? Der RMG-Geschäftsführer will das so nicht glauben, denn der mittelhessische „Boom“ betreffe auch Institutionen,
die in Zukunft weiter vermehrt nationale und internationale Fach- und Führungskräfte anziehen werden – zum Beispiel die expandierende Technische Hochschule
und der in ihr wurzelnden Ausgründungen. Der Bedarf ist also da und wird weiter steigen, ist sich Ihle sicher. Vielleicht dauert es nur etwas, bis
Investoren auf diesen Markt im Wandel reagieren werden. „Wer als Investor oder Vermieter Interesse an dem Thema hat, soll sich bei uns melden“, appelliert
Ihle an die Branche.