Zum elften Mal hat die in Marburg ansässige Von-Behring-Röntgen-Stiftung Fördermittel für medizinische
Forschungsprojekte an der Justus-Liebig-Universität Gießen und der Philipps-Universität Marburg bewilligt. Über insgesamt eine Million Euro für sechs Forschungsvorhaben können sich die Begünstigten
freuen. Stellvertretend für ihre Arbeitsgruppen nahmen die Projektsprecher Ende Januar in Gießen die Bewilligungsurkunden aus den Händen von Stiftungspräsident
Friedrich Bohl entgegen.
Mit den Geldern werden ab 2018 Kooperationsprojekte mit gemeinsamer Beteiligung von Marburger und Gießener Wissenschaftlern sowie einzelne Forschungsvorhaben
von Nachwuchswissenschaftlern finanziert, die unter anderem an Themen aus den Bereichen Lungenforschung, Neurowissenschaften und Tumorforschung arbeiten.
Die geförderten Projekte im Einzelnen:
Lungenkrebs gehört zu den Krebsarten mit der höchsten Sterberate. Die Tumorforscher Prof. Dr. Tilman Borggrefe aus Gießen und Prof. Dr. Thorsten Stiewe
aus Marburg gehen der Frage nach, welche Rolle die Gene NOTCH und TP73 bei der Krankheitsentstehung und Therapie von kleinzelligen Bronchialkarzinomen
spielen. Das Kooperationsprojekt wird mit 160.000 Euro gefördert.
Autismus-Spektrum-Störungen sind tiefgreifende psychische Störungen, die Betroffene stark in der sozialen Interaktion und Kommunikation beeinträchtigen.
Die Erkrankung hat viele Erscheinungsformen und gleicht in einigen Symptomen anderen psychischen Störungen. Die Marburger Psychologin Prof. Dr. Inge
Kamp-Becker und ihre Kooperationspartner wollen Autismus mithilfe von Biomarkern besser diagnostizieren und von anderen Krankheitsbildern abgrenzen.
Ziel des mit 200.000 Euro geförderten Projektes ist es, Erkrankte individueller behandeln zu können.
Die bronchopulmonale Dysplasie ist die chronische Lungenerkrankung des Frühgeborenen, die vor allem Folge der künstlichen Beatmung und Sauerstofftherapie
ist. Die Erkrankung führt zu einer dauerhaften Schädigung der Lunge mit lebenslanger Einschränkung der Lungenfunktion und Störungen in der körperlichen
und geistigen Entwicklung der Kinder. Die Nachwuchswissenschaftlerin Dr. Judith Gronbach will den Einfluss künstlicher Beatmung und Sauerstofftoxizität,
einer Vergiftungserscheinung durch die Überschreitung der Sauerstoffbelastungsgrenze des Körpers, auf die Krankheitsentstehung mit besonderem Fokus
auf die Stammzellen der Lunge untersuchen. Mit dem Forschungsvorhaben will die Gießenerin zur Entwicklung neuer Therapieoptionen beitragen. Es wird
mit 150.000 Euro gefördert.
Arteriosklerose ist eine chronisch-entzündliche Gefäßerkrankung, die zu Herzinfarkt, Schlaganfall und anderen Durchblutungsstörungen führen kann. Dabei
entstehen über einen längeren Zeitraum bei Patienten Fett-Ablagerungen, die zu sogenannten Plaques verkalken und die betroffene arterielle Blutgefäße
massiv einengen bzw. verstopfen. Der Gießener Nachwuchswissenschaftler Dr. Hector Cabrera-Fuentes konnte bei Versuchen an Mäusen bereits nachweisen,
dass die Größe der Plaques mithilfe eines chemischen Hemmstoffs des mitochondrialen Proteins Drp1 reduziert werden kann. Sein Ziel ist es nun, die
Bedeutung dieses Proteins für die Entstehung und das Fortschreiten der Erkrankung auch beim Menschen näher zu untersuchen, um die Grundlage für neue
therapeutische Möglichkeiten zu schaffen. Das Forschungsvorhaben wird mit 150.000 Euro unterstützt.
Dr. Silvia Fischer, Prof. Dr. Stefan Bauer und ihre Projektpartner wollen in ihrem Forschungsvorhaben die Aktivierungsmechanismen von Immunzell-Rezeptoren
charakterisieren, die durch Alarmmoleküle wie extrazelluläre Ribonukleinsäuren ausgelöst werden. Sie konzentrieren sich dabei auf sogenannte sterile
Entzündungen, die nicht infektiös-bakteriell bedingt sind, die es aber erlauben, neue Möglichkeiten zur Steuerung solcher Reaktionen aufzuzeigen. Ziel
des mit 200.000 Euro unterstützen Vorhabens der Gießener und Marburger Biochemiker und Immunologen ist die Entwicklung neuer Therapiemaßnahmen zur
Eindämmung solcher Entzündungsprozesse.
Prof. Dr. Dominik Oliver und Prof. Dr. Andreas Meinhardt gehen der Frage nach, welche Funktion bestimmte Signalenzyme in der Zellbiologie der Spermienentstehung
haben. Das grundlagenwissenschaftliche Kooperationsprojekt der Marburger Physiologen und Gießener Reproduktionsforscher zu spannungsgesteuerten Lipid-Phosphatasen
wird mit 140.000 Euro gefördert.
Hintergrund:
Die Von Behring-Röntgen-Stiftung wurde am 8. September 2006 vom Land Hessen als rechtsfähige
Stiftung des bürgerlichen Rechts errichtet. Gegründet wurde sie im Zuge der Fusion der Universitätskliniken Gießen und Marburg im Jahr 2005 und der
anschließenden Privatisierung 2006 mit dem Ziel, an beiden Standorten neue Perspektiven für die Hochschulmedizin zu sichern und zu entwickeln.
Dem Stiftungsvorstand gehören als Präsident der ehemalige Bundesminister Friedrich Bohl und als Vizepräsidenten der Marburger Virologe Prof. Dr. Hans-Dieter
Klenk und die Gießener Augenärztin Prof. Dr. Birgit Lorenz an. Ein mit 16 namhaften Wissenschaftlern aus Deutschland und Österreich besetzter wissenschaftlicher
Beirat hat die Aufgabe, die der bei der Medizinstiftung eingereichten Förderanträge zu bewerten sowie Projekte und Themenschwerpunkte zu empfehlen.
Die Von Behring-Röntgen-Stiftung fordert Angehörige der medizinischen Fachbereiche der Universitäten Marburg und Gießen einmal jährlich zur Antragstellung
auf. Seit ihrer Errichtung hat sie insgesamt bereits 18,2 Millionen Euro bewilligt.