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Smart-Villages: Wie können diese auf dem Land genutzt werden

Regionalmanagement Mittelhessen GmbH Gepostet von Regionalmanagement Mittelhessen GmbH in Aktuelles aus Mittelhessen 8 min. Lesezeit

Referent Prof. Dr. Rainer Hofmann (TH Aschaffenburg)„Smart
Villages – DAS ist die Verheißung des Internet“ unter diesem Motto haben Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Institutionen beim mediaForum Lahn-Dill 2019 über Nutzungsmöglichkeiten des Internet auf dem Land diskutiert. Hierzu hatte der Verein media Lahn-Dill
in die Räume der IHK-Lahn-Dill in Wetzlar eingeladen. Der Vorsitzende Christian Bernhard konnte an diesem Nachmittag rund 50 Teilnehmer begrüßen.

„Der digitale Nachholbedarf in deutschen Kommunen und auf dem Land ist enorm,“ stellte Ekkehart Gerlach (Geschäftsführer deutsche medienakademie), der
die Veranstaltung moderierte, zum Auftakt fest und bezog sich damit auf die vielerorts noch immer zu langsam fortschreitende oder gar fehlende Breitband-Verkabelung
mit Glasfaser-Technik. Dr. Kay Ruge (Deutscher Landkreistag) fragte zur Einführung, „ob Digitalisierung in den Köpfen der Politiker wirklich als Thema
angekommen ist. Wir nehmen digitale Politik bisher nicht sichtbar wahr.“ Der Bund könne jedoch nur die Regulatorik leisten, vielmehr seien regionale
und kommunale Ebene aufgefordert, vor Ort zu handeln.

In seinem Vortrag „Breitband im ländlichen Raum: Eine never ending story?“ umriss Prof. Dr. Kai Höhmann auch die monetäre Ausstattung vieler Einzelprogramme,
die in den vergangenen Jahren gefördert wurden: „Das Geld ist da, es wird aber zu wenig abgerufen,“ so der Geschäftsführer des TÜV Rheinland Consulting
GmbH. Zudem gäbe es mit Blick auf Glasfaserprojekt-Fortschritte große Unterschiede zwischen den Bundesländern. Hinzu komme ein häufig anzutreffender
Gegensatz zwischen „Mehrfachausbau versus weiße Mobilitätsflecken.“ Daneben zeigte Höhmann auch Hürden auf: „Im ländlichen Raum ist ein eigenwirtschaftlicher
Ausbau nur bedingt zu leisten. Er wird oft verzögert durch Projektänderungen wie etwa Änderung der Förderbedingungen oder Rückzug erteilter Ausbauzusagen.“
Er appellierte an die lokalen Akteure „klar die Politik fordern, aber auch selbst zu unterstützen, indem die kommunale Ebene vorausgeht.“

Markus Lennartz (Wirtschaftskanzlei Heuking Kühn Lüer Wojtek) beleuchtete die rechtlichen Aspekte. „Verwaltung und Wirtschaft in den Kommunen müssen zusammen
stehen und den Rahmen für private Betätigung schaffen. Es gibt viel mehr Handlungsmöglichkeiten für die Verwaltung, als sie es heute tut.“ Der Rahmen
für Kommunalrecht sei dazu ausreichend. Auf Wortmeldungen eingehend folgerte er, dass mittlerweile „eine Erschließung ohne Breitband
kaum zu verantworten“ sei.

Marco Wiedemann (Bertelsmann-Stiftung) referierte über die Folgen voranschreitender Urbanisierung und damit einhergehender Landflucht und das, obwohl die
meisten Deutschen laut einer Untersuchung lieder ländlich als städtisch leben wollen. „Neue Orte der Arbeit bedeuten Chancen für den ländlichen Raum.“
Er illustrierte dies mit lokalen Cocooning-Projekten an der Ostsee und in Brandenburg. Dies seien Orte, an denen in naturnaher Umgebung gearbeitet
werden könne.
Die Notwendigkeit einer flächendeckenden Glasfaser-Verkabelung zeigte Anke Hoffmann (Bertelsmann-Stiftung) auf. Entscheidend sei nicht, ob „Home Office
immer mehr im Trend“ liege, sondern „wo Breitband ist, kann gearbeitet werden.“ Dies diene auch einer zunehmend diskutierten Vereinbarkeit von Arbeit
und Leben und steigere durchaus die Arbeitsqualität im Ergebnis.

Prof. Dr. Georg Rainer Hofmann unterstrich die Bedeutung des Online-Handels im ländlichen Raum. „Wo bindende Abmachungen, also Verträge sind, dann ist
das auch E-Commerce,“ sagte der Medienfachmann von der TH Aschaffenburg. Dabei sei „eine Reihe massiver Umwälzungen kein spezifisch ländliches Problem“
und riet den kommunalen Akteuren „dringend zu mehr Selbstbewusstsein: wenn sie in der Provinz etwas Attraktives anzubieten haben, fliegt das Thema.“
Dr. Hans-Peter Grothaus (Geschäftsführer m2Xpert) zeigte den Nutzen des Netzausbaus für die Landwirtschaft auf. Der Wirtschaftssektor könne damit „auf
dem Weg zum am stärksten digitalisierten Fernbehandlungsbereich“ sein. Es entstünden „ortsbezogene Wissensgüter“, etwa unter der Frage „was wächst
wo am besten.“ Diese Daten könnten auch bei einer Betriebsübergabe weitergegeben werden und dauerhaft in punkto Bodenbeschaffenheit und Fruchtfolge
von Nutzen sein.
Für eine weitere Lockerung des Fernbehandlungsverbots plädierte der Mediziner Dr. Tobias Gantner (Health Care Futurists). Er stelle das Konzept der
„Ohnearztpraxis“ vor. Damit könne „die knappe Ressource der Ärzte in den ländlichen Raum gebracht und dort die Versorgung gewährleistet werden, ohne
ansässige Mediziner zu verdrängen.“

Julia Steingaß (Verbandsgemeinde Göllheim) und Mirjam-Sarah Opitz (Fraunhofer) stellten die Plattform „Digitale Dörfer“ an Beispielen in Rheinland-Pfalz
und Bayern vor. Hierbei kommunizieren Bürger, Verwaltung und Anbieter wie etwa Einzelhändler vor Ort und bieten dabei auch Dienstleistungen an. Dr.
Matthias Berg (Fraunhofer-Institut) fasste zusammen, dass im ländlichen Raum derzeit eine lediglich „fragile Digitalisierung“ gegeben sei. Diese Infrastruktur
diene jedoch in
Zukunft als ressortübergreifender Wettbewerbsfaktor bei Wirtschaft, Ansiedlung und Bildung. Von daher müssten sich die Akteure und ihre Konstellationen
vor Ort als lokale Treiber für dieses Thema verstehen. Der „Lückenschluss“ zwischen Stadt und Land warte bereits als nächste Herausforderung auf diesem
Gebiet. Anders als es in Medien und Öffentlichkeit ständig angenommen werde, gipfele der Stellenwert der gesamten Thematik schließlich darin, dass
es auch einen „massiven Einfluss der gesellschaftlichen Ebene auf Digitalisierung gibt,“ so Berg.