ALSFELD. Während unsereins Freitagabend entspannt „Bettys Diagnose“ oder „Gute Zeiten,
schlechte Zeiten“ von der Couch aus schaute, saß im jüngsten Alsfelder Friseursalon „Novus“ das
komplette Team aufgeregt, mit Prickelbrause in den Gläsern, vor dem Laptop und verfolgte gespannt
die Siegerehrung des Nationalen TrendVision Award 2021. Gleich drei Mitarbeitende – Saloninhaber
Kim Kevin Brassel und seine zwei Mitarbeiterinnen Elena Steinbrecher und Manuela Grünewald –
hatten es dieses Jahr unter die Pre-Finalisten geschafft und warteten gespannt auf die
Ergebnisverkündung der Jury. Sollten es tatsächlich gleich drei Stylisten aus Alsfeld unter die
Erstplatzierten geschafft haben und damit zu den besten Färbern der deutschsprachigen Länder
gehören? Ja, tatsächlich…
Der Nationale TrendVision Award (NTVA) ist ein Wettbewerb in der Friseurbranche, ausgerufen von
Wella, an dem sich alle Friseure aus Deutschland, Österreich und der Schweiz beteiligen können.
Jedes Jahr gibt es neue Kategorien, in denen die Trendsetter gegeneinander antreten können –
dieses Jahr waren es folgende: Color Artist, Color Specialist und Editorial Look.
„Wenn man an dem Wettbewerb teilnehmen möchte, arbeitet man eigentlich schon ein ganzes Jahr
darauf hin – hält Ausschau nach passenden Models, sammelt Ideen, erarbeitet Konzepte“, erläutert
Kim Kevin Brassel, der im April 2021 seinen ersten eigenen Salon in Alsfelds altem Güterbahnhof
eröffnet hat. „Erst drei Monate vor Wettbewerbsbeginn werden die Kategorien und jeweiligen
Anforderungen endgültig bekanntgegeben, sodass man dann seine Ideen konkretisieren und
umsetzen kann.“
Da aufgrund der Corona-Pandemie der Wettbewerb zu 100 % digital stattfand, waren auch die
Online-Fertigkeiten der Friseure gefragt: Über Instagram wurden Fotos der Looks hochgeladen – wer
wollte konnte auch Videos drehen – und so seine Bewerbung einreichen. Heißt: Statt live auf der
Bühne abzuliefern, benötigte man dieses Jahr nicht nur Social-Media-Know How für die Teilnahme,
sondern auch ein gutes Auge und fotografische und videografische Fähigkeiten.
Die drei Koloristen von Novus fanden schnell Mitstreiter, die sie bei ihrer Idee und deren Umsetzung
unterstützten: Lavinia Engel, die nebenberuflich in Alsfeld aufregende Bilder schießt, setzte die
jeweiligen Look-Models gekonnt ins Bild – egal ob Foto oder Video – die vorher von dem Team des
Modehauses Campus eingekleidet oder von den Make-up-Artists Roberta Mollame oder Laura
Koscinksa und Aylin Musaev geschminkt wurden. So bekamen die kreierten Looks von Brassel,
Steinbrecher und Grünewald noch einen passenden Rahmen und begeisterten die internationale
Wella-Jury so sehr, dass alle drei unter die jeweils 15 Pre-Finalisten in zwei Kategorien kamen.
Elena Steinbrecher hatte sich ihre Tochter als Model ausgesucht, um sich mit ihrem Styling in der
Kategorie „Color Artist“ zu bewerben. Sie kreierte einen leichten, herbstlichen Look:
Wellenbewegungen und eine gesetzte rote Kontur, die man Faceframing nennt. Mit diesem Look und
der Inszenierung von Fotos und Video auf Instagram gewann die zweifache Mutter aus Alsfeld den
dritten Platz in der Kategorie „Color Artist“. Die Anforderungen, die individuelle Schönheit ihres
Models durch die gewählte Farbe, Technik und Stil typgerecht zu unterstreichen, war ihr
hervorragend gelungen.
„Elena ist der Hammer!“, ist Kim fasziniert von seiner Mitarbeiterin. „Sie hat quasi als Shampoo-Girl
in einem Salon gearbeitet, in dem auch meine Mutter als Friseurin tätig war. Meine Mutter hat sie
dann irgendwann überzeugt, eine Friseurlehre zu machen.“ Doch darauf ruhte sich die heute Mitte
Vierzigjährige nicht aus, sie besuchte noch eine Kosmetikschule und macht gerade ihren Master of
Color. „Vom Tellerwäsche zum Superstar“, lacht Kim und betont noch mal extra, dass Elena nicht
gerne im Vordergrund steht, obwohl sie so viel Können hat, was sie jetzt erneut bewiesen habe.
„Deswegen muss ich jetzt mal sagen, wie großartig sie ist!“
Manuela Grünwald hat indes Freitagabend ihren Chef Kim den ersten Platz in der Kategorie „Color
Specialist“ vor der Nase weggeschnappt und ihn auf Platz 2 verwiesen. Böse? „Nein, überhaupt nicht!
Wir haben uns im Vorfeld gegenseitig unterstützt und gepusht und freuen uns einfach über jeden
Sieg“, so der 27-jährige Saloninhaber ehrlich. Er kennt Manuela schon seitdem er ein kleiner Junge
ist, denn auch sie hat schon viele Jahre mit seiner Mutter in verschiedenen Salons
zusammengearbeitet, so ist statt Konkurrenz nur eine tiefe Freundschaft zu spüren.
Die 37-jährige Alsfelderin hat sich mit einer Novus-Kundin als Model am Wettbewerb beteiligt. Sie
hat etwas altes Bekanntes aufgegriffen und in die Gegenwart transferiert, modern interpretiert.
„Mullet“ nennt man diesen Trend, bei dem die vorderen und seitlichen Haare kurz geschnitten und
am Hinterkopf länger getragen werden. Im Hinterkopf hatte die junge Frau einen Look, der aus „Sex
in the City“ stammen könnte – ein topmodernes Styling, was im Herkules-Parkhaus von Fotografin
Lavinia Engel perfekt in Szene gesetzt wurde.
Apropos topmodern – so sollten die Stylings alle sein. „Irgendwann kann man nichts Neues mehr
erfinden, aber man kann Altes neu interpretieren, umwandeln, anders umsetzen und damit einen
Trend setzen, der tragbar ist.“ Das sei auch eine der wesentlichen Bedingungen bei dem
Wettbewerb: Tragbarkeit.
Entsprechend hat auch Kim Kevin Brassel, der bereits mehrfach den NTVA in der Vergangenheit
gewonnen hat und von Wella inzwischen zum Passionista ausgezeichnet wurde, sich sein Model und
Performance ausgewählt. „Ich habe Denise beim Party machen in Gießen gesehen und sie gleich
angesprochen“, erzählt Kim, und fragt sich, ob er das mit dem Party machen überhaupt erzählen
darf. „Denise hat wunderschöne blaue Augen und eine tolle zarte Haut“, schwärmt der Stylist. „Ein
Mädchen, die ich gerne in eine Frau verwandeln wollte, die mitten im Leben steht – ein
Businesslook.“ Kim hat sich bewusst gegen „Sex sells“ entschieden und so trug die junge Gießenerin
nach ihrem Fitting auch einfach nur ein schlichtes weißes Oberteil und eine schwarze Hose. Ganz
unspektakulär und doch ein Hinkucker, natürlich schön, wie die Ansatzfarbe mit Highlights
kombiniert wurde, so dass Höhen und Tiefen im Haar fließend verlaufen.
Aber nicht nur in den Kategorien „Color Artist“ und „Color Specialist“ sicherten sich die drei Alsfelder
Friseure die ersten Plätze, auch die Auszeichnung „Bester Social-Media-Auftritt“ gewann das Team
von Novus für sich. Dafür gab es ein Iphone 13, um noch bessere Fotos und Social-Media-Präsenz zu
zeigen.
Manuela Grünewald trägt seit ihrer Erstplatzierung den Titel „Beste Color-Art und Belayage-
Spezialistin Deutschlands“ und hat eine Veröffentlichung in einem Fachmagazin im Wert von 5000
Euro gewonnen. Zudem nimmt sie am internationalen Wettbewerb des TrendVision Awards teil und
wird dort Deutschland gegen die Gewinner aus Russland, Frankreich, Spanien und vielen Ländern
mehr vertreten.
Ein bisschen hatte das Novus-Friseur-Team darauf gehofft, sich drei Plätze bei dem diesjährigen
Wettbewerb sichern zu können. Dass es tatsächlich geklappt hat, hat sie total überwältigt. „Wella hat
uns im Vorfeld Champagner geschickt, damit wir an dem Abend feiern können… das haben wir! Wir
haben uns soooo gefreut, ich bin noch ganz überwältigt davon, kann es eigentlich noch gar nicht
fassen!“ Dennoch – trotz Partynacht im Salon – standen Kim Brassel und sein Team am nächsten
Morgen wieder früh und topfit auf der Matte, um Haare zu färben – denn das, was sie auch zu
Siegertypen macht ist vor allem eins: Die Leidenschaft zum Beruf und die Liebe zum Styling.