Prof. Dr. Harald Danne ist ehrenamtlicher Dezernent des Lahn-Dill-Kreises für Wirtschaftsförderung und Tourismus, Professor an der THM und war von 2001 bis 2022 Leitender Direktor von StudiumPlus. Als engagierter Netzwerker bringt er bei TeamMit seine Expertise und seine Kontakte ein, um die Wirtschafts- und Bildungsregion gemeinsam weiterzuentwickeln. Im Interview erläutert er, wie er dabei vorgeht.
Wie schätzen Sie die aktuelle Lage des Lahn-Dill-Kreises ein?
Angesichts der eher schwierigen Wirtschaftslage in Deutschland sind die letzten Zahlen für die Region eher positiv. Dennoch stehen wir vor großen und vielfältigen Herausforderungen. Dazu gehören insbesondere die Energiekrise und die Inflation, der Wandel der Mobilität, steigende Produktionskosten und unsichere Lieferketten. Viele dieser Themen sind lösbar, vorausgesetzt, man hat den festen Willen, die Rahmenbedingungen zu verändern. Und unserer Region muss es gelingen, die für die Lösung zwingend erforderlichen Menschen zu finden, zu qualifizieren und in der Region zu binden.
Sie sprechen den Fachkräftemangel an?
Ja, aber nicht nur. Seit vielen Jahren sprechen wir über den Fachkräftemangel. Mittlerweile müssen wir uns aber auch mit einem allgemeinen Arbeitskräftemangel beschäftigen. Es fehlen nicht nur ausgebildete Kräfte. Das ist ein echtes Problem, weil wir die anstehende Transformation ohne Menschen nicht bewältigen werden.
Woher kommt dieser Arbeitskräftemangel?
Dafür gibt es viele Gründe. Eine Hauptursache ist der demographische Wandel. Wir haben einfach immer weniger junge Menschen. Arbeitskräfte, die heute in den Unternehmen fehlen, hätten bereits vor 20 Jahren geboren werden müssen. Hinzu kommt aktuell wieder eine stärkere Abwanderung ins Rhein-Main-Gebiet. Da müssen wir dagegenhalten und dafür sorgen, dass die Menschen in der Region bleiben.
Wie können wir das schaffen?
Wir müssen die Wirtschaftsregion stärken und die Unternehmen noch attraktiver machen. Ein wichtiger Aspekt ist dabei auch die Qualifizierung von Menschen. Denn die beste Wirtschaftspolitik ist eine gute Bildungspolitik. Das heißt, dass wir Menschen fit machen müssen für aktuelle und kommende Herausforderungen – Stichwort Future Skills. Welche das sind, ist noch nicht im Detail klar. Mit Sicherheit werden aber die Themen Digitalisierung und KI wichtige Rollen spielen.
Machen die Unternehmen in der Region genug dafür?
Viele Unternehmen sind sehr engagiert und gehen voran, indem sie Mitarbeitende konsequent weiterbilden. Dabei haben sie natürlich zunächst immer den eigenen, betrieblichen Bedarf im Blick. Mit TeamMit können wir den Blick weiten und mit einer regionalen Brille schauen, um allgemeine Bedarfe zu ermitteln und zu bedienen.
Was bedeutet das konkret?
Wir haben viele familiengeführte KMUs, die es gewohnt sind, mit Veränderungen umzugehen und den Wandel in ihrer DNA haben. Als TeamMit brauchen wir ihnen nicht zu erklären, was Transformation ist. Was aktuell noch fehlt, ist eine gemeinsame, übergeordnete und regionale Strategie. Ein Ziel, auf das die gesamte Region – nicht nur in der Automobilindustrie – hinarbeitet. Ich denke an eine Transferlandschaft in Mittelhessen, die Strukturen, Netzwerke und Instrumente bietet, um schnell und effizient auf Veränderungen reagieren zu können.
Wie kann TeamMit dabei helfen diese Transferlandschaft aufzubauen?
Das TeamMit Projekt ist eine einzigartige Möglichkeit, die Region für eine große Runde zu öffnen und gemeinsam neu aufzustellen. Wir können die verschiedenen Akteure von den Unternehmen über die IHKen und die Unternehmerverbände bis hin zu den Kreishandwerkerschaften und von den Bildungsträgern über die Institutionen bis hin zu den Gewerkschaften zusammenbringen. So haben wir alle Facetten im Blick und können gemeinsam etwas Neues entwickeln. Außerdem tauschen wir uns mit anderen, ähnlichen Netzwerken aus, um zu sehen, was diese machen und was wir davon lernen können für unsere Region.
Wie unterstützen Sie diese Arbeit mit Ihrem Team?
Wir engagieren uns in den Bereichen Wirtschaftsförderung und Bildungslandschaft. Wir helfen, beide besser zu vernetzen und noch effizienter zusammenzuarbeiten. Zum Beispiel indem wir Wirtschaftsthemen auch in der Bildungslandschaft implementieren und umgekehrt. Hierfür haben wir im vergangenen Jahr das Netzwerktreffen der Institutionen aus der Bildungslandschaft und Wirtschaftsregion initiiert, mit zahlreichen Vertretern von Unternehmern, Institutionen, Bildungsträgern und Gewerkschaften. Dabei wurde schnell klar, dass wir alle in einem Boot sitzen und Lösungen nur gemeinsam entwickeln können. Im Nachgang konnten wir einige Initiativen starten und neue Kooperationen voranbringen. Diese entwickeln sich aktuell sehr gut, so dass wir am 20.Juni ein weiteres Netzwerktreffen planen.
Wie engagieren Sie sich im Bildungsbereich?
Mit der THM / StudiumPlus und der Philipps-Universität Marburg haben wir starke TeamMit Partner an Bord. Wir möchten den Blick aber noch weiten und einerseits auch Schulen und Berufsschulen mehr integrieren. Andererseits wollen wir enger mit den Arbeitsagenturen und Jobcentern kooperieren, die wichtige Beiträge für die betriebliche und außerbetriebliche Bildung und Qualifikation leisten– organisatorisch und finanziell. Wir wollen von der Berufsschule bis zur Wissenschaft alles im Blick haben und so zusammenarbeiten, dass Unternehmen, Menschen und die gesamte Region davon profitieren.
Arbeiten Sie auch mit den Gewerkschaften?
Selbstverständlich. Diese sind die direkte Schnittstelle zu den Menschen und damit von immenser Bedeutung. Denn die Transformation macht keinen Sinn, wenn wir die Menschen, die es bei der täglichen Arbeit betrifft, nicht erreichen. Deshalb stehen wir im engen und intensiven Dialog mit den Gewerkschaften.
Wie gehen Sie bei Ihrer Arbeit vor?
Zunächst mussten wir eine valide Faktenbasis schaffen. Deshalb haben wir mit vielen Akteuren gesprochen und uns auch externes Know-How, beispielsweise beim Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), eingeholt. Jetzt gehen wir die nächsten Schritte an, etwa mit dem nächsten Netzwerktreffen der Wirtschaftsregion und Bildungslandschaft oder mit einer der zahlreichen Veranstaltungen, die wir gemeinsam mit den Arbeitsagenturen vor Ort durchführen.
Was wünschen Sie sich für Ihre weitere Arbeit?
Mittlerweile weiß jeder, dass die Transformation da ist. Was noch nicht jeder und jedem klar ist, ist, dass sie keine Naturgewalt ist, der wir hilflos ausgeliefert sind, sondern ein Wandel, den wir mitgestalten können und müssen. Deswegen wollen wir die Menschen und die Unternehmen noch besser erreichen und beteiligen. Hierfür brauchen wir jeden Kanal und jeden Multiplikator, den wir bekommen können.
Herr Danne, vielen Dank für das Gespräch
Foto: Ulrike Kammler / Lahn-Dill-Kreis