Für viele mittelhessische Unternehmen ist Internationalisierung ein wichtiges Thema – zu Recht, ist Deutschland doch eine Außenhandelsnation. Doch welche Rolle spielt die regionale Wertschöpfung für das wirtschaftliche Handeln heimischer Betriebe? „Regionalität hat für bestimmte Produkte mittlerweile einen höheren Stellenwert als Bio“, war am vergangenen Dienstag in der Licher Brauerei während eines Treffens des Netzwerks Wirtschaft im Verein Mittelhessen zu hören. Schwerpunkt der Zusammenkunft der im Verein organisierten heimischen Unternehmer war allerdings nicht das Marketing mit dem Regional-Label, sondern vor allem die Wertschöpfung in der Region. Ein Feld, das im Gegensatz zur Internationalisierung wissenschaftlich bislang kaum erforscht ist.
„Regionale Wertschöpfungsketten sind in der Wissenschaft kein Thema“, sagte Prof. Thomas Brenner, Wirtschaftsgeograf an der Marburger Philipps-Universität, der auf Einladung des Vereins zum Thema ein Impulsreferat hielt. Im Gegensatz dazu gebe es allerdings Untersuchungen zum „Multiplikatoren-Effekt“, zum Beispiel bei Branchen, deren Umsätze sich gegenseitig beeinflussen. Auch innerhalb einer Region gebe es „erhebliche Multiplikatoren-Effekte“, abhängig seien diese zum Beispiel vom Vernetzungsgrad der Wirtschaft und der regionalen Einstellung bei Konsum und Auftragsvergabe. Nicht zuletzt seien positive Auswirkungen auf Beschäftigung und Steuereinnahmen wichtige Effekten.
Insbesondere bei der öffentlichen Auftragsvergabe hat sich etwas zu Gunsten regionaler Wertschöpfung getan. Das berichtete Bernhard Mundschenk, stellvertretende Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Wiesbaden. „Wir wollen, dass Aufträge in der Region bleiben“, sagte Mundschenk. Und das neugefasste Hessische Vergabe- und Tariftreuegesetz, das seit dem 1. März in Kraft ist, könnte heimische Unternehmer in diesem Sinne unterstützen. So erlaube das Gesetz öffentlichen Auftraggebern, bei Summen bis zu 1 Millionen Euro beschränkt auszuschreiben und bei Gewerk-Kosten bis zu 100.000 Euro auch freihändig zu vergeben. Mundschenk: „Wir würden uns freuen, wenn das Gesetz auch gelebt werden würde.“
In der anschließenden Diskussionsrunde standen neben dem Vorsitzenden des Netzwerks Wirtschaft, Klaus Rohletter vom Bauunternehmer Albert Weil, Udo Lück von der Lück-Gruppe, Dr. Ulrich Peters von der Licher Brauerei, Roman Kubla von der Sparkasse Oberhessen und Lichs Bürgermeister Bernd Klein auf der Bühne. Die Moderation hatte Thomas Mertens vom Institut für nachhaltiges Wirtschaften faktor 10 übernommen. Alle Teilnehmer bekannten sich dabei zur Regionalität als Teil ihres wirtschaftlichen Denkens: „Bier braucht Heimat“, formulierte es Brauerei-Vertreter Peters plakativ, nicht ohne hinzuzufügen, dass auch bei der Beschaffung von Rohstoffen die Region eine wichtige Rolle spielt.
Auch Sparkassen-Banker Kubla sagte deutlich: „Regionale Verantwortung hat bei uns Tradition.“ Annähernd 3,2 Milliarden Euro Einlagen kämen aus der Region. Davon fließe viel in Form von Krediten wieder in die heimische Wirtschaft. Für Udo Lück, dessen Unternehmen vor allem Dienstleister im Bereich Gebäudetechnik ist, spielt auch das Geben und Nehmen im regionalen Netzwerk eine Rolle. „Auch internationale Kunden achten auf regionale Gegengeschäfte.“ Seine expandierende Unternehmensgruppe wachse durch Zukauf von Unternehmen in ganz Deutschland. "Wir setzen dann vor Ort aber weiter auf regional gewachsenen Geschäftsbeziehungen“, sagte Lück. Das schaffe Vertrauen und werde positiv bewertet.
Für Bürgermeister Klein liegt angesichts des Internethandels die Verantwortung für eine starke Binnen-Ökonomie auch bei den Konsumenten. Er rief die Menschen dazu auf, eine positive Haltung zur Region zu entwickeln, nach dem Motto, „In diese Region investiere ich, hier kaufe ich ein.“ Bei allen Bemühungen, „Leistungen in der Region unterzubringen“, merkte Bauunternehmer Rohletter allerdings an, dass bei öffentlichen Vergaben „immer noch der Preis das entscheidende Kriterium ist“. Und: Zwar sei jeder für seine Entscheidungen, mit wem er zusammenarbeitet, selbst verantwortlich. „Aber Transparenz und Vertrauen unter regionalen Unternehmen erhöhen die Wahrscheinlichkeit für regionale Wertschöpfung“, betonte Rohletter. Daher seien Initiativen wie das Netzwerk Wirtschaft und das Regionalmanagement Mittelhessen so wichtig.
Monika Stöckl von der Technische Hochschule Mittelhessen hatte nach der Podiumsdiskussion im Vortragssaal der Licher Brauerei noch Gelegenheit, einen weitere Aspekt von Regionalität in den Vordergrund zu stellen, nämlich die Bildung: Sie warb in einem Vortrag für das Deutschlandstipendium des Bundesministeriums für Forschung und Bildung, mit dem Unternehmen gemeinsam mit dem Bund akademische Fachkräfte fördern können – auch zum Wohle der Region.