„Wenn von nachhaltigem Wirtschaften die Rede ist, dann geht es nicht nur um Photovoltaik, Windkraft und Elektroautos“. Bei einem Treffen des Netzwerks Wirtschaft im Regionalmanagement Mittelhessen am Donnerstag (10.3.16) stand diese These am Anfang. Sie stammt von Prof. Dr. Mario Schmidt, Direktor des "Institute for Industrial Ecology" (INEC) der Hochschule Pforzheim, der vor rund 80 Mitgliedern des Netzwerks den Impulsvortrag zum Thema „Ökologische Unternehmensführung“ hielt. Im „Forum“ der Heuchelheimer Firma Rinn ging es neben wissenschaftlichen Thesen auch um praktische Beispiele in Mittelhessen und nicht zuletzt auch um die globalen Auswirkungen nachhaltiger Entwicklung.
Neben Schmidt, der in Baden-Württemberg dem Beirat für Nachhaltige Entwicklung der Landesregierung angehört, schilderten auf der vom Verein Mittelhessen in Kooperation mit der hessischen Wirtschaftsförderung Hessen Trade & Invest (HTAI) organisierten Veranstaltung Rinn-Geschäftsführer Christian Rinn und Netzwerk-Managerin Teresa Tewes vom KompetenzNetz UmweltTechnologie e.V. (KNUT) ihre Sicht auf das Thema. Prof. Dr. Schmidt machte deutlich, dass sich Nachhaltigkeit nicht zuletzt auch mit Entwicklungszusammenhängen und der sozialen Frage beschäftigen muss: „Wenn sich Syrer jetzt auf den Weg zu uns machen, hat das etwas damit zu tun.“ Dass es hier zu solchen Bewegungen kommt, werde „in Fachkreisen seit Jahrzehnten prognostiziert“.
Der deutschen Wirtschaft weist der Referent dabei „eine tragende Rolle“ zu, den Widerspruch zwischen Nachhaltigkeit und Industriegesellschaft aufzulösen. Effizienz ist für Schmidt dabei der Schlüsselbegriff: „Wir müssen in der gesamten Breite der Industrie effizienter werden.“ Aber: Dort liege auch die Chance für die deutsche Wirtschaft, denn „es gibt noch Einsparpotenziale“. Insgesamt sieht Schmidt die Gesellschaft angesichts der ökologischen, ökonomischen und sozialen Situation vor großen Herausforderungen. In diesem Zusammenhang rief er die Wirtschaft zu mehr Verantwortung für die gesamte Wertschöpfungskette auf und warb für Investitionen in Forschung und Bildung. „Wir brauchen weiterhin Innovationen in vielen Bereichen.“
„Wir müssen als Unternehmer unserer Verantwortung gerecht werden“, sagte auch Christian Rinn, Geschäftsführer der Rinn Beton- und Naturstein GmbH & Co. KG., den Netzwerks-Mitgliedern in seinem Kurzvortrag. Sein Unternehmen habe den Anteil erneuerbarer Energien im Betrieb innerhalb von zwei Jahren von 8 auf 58 Prozent erhöht und den Wasserverbrauch um 40 Prozent gesenkt. Ein neuartiger Betonstein, den das Unternehmen anbietet, besteht zu 50 Prozent aus recyceltem Material. „Wir wollen als Vorreiter in der Baustoffindustrie Standards setzen“, betonte Rinn.
Teresa Tewes, Netzwerk-Managerin bei KNUT, dem „KompetenzNetz UmweltTechnologie“ e.V., machte die Bedeutung der Netzwerk-Arbeit deutlich, mit der KNUT zur Nachhaltigkeit beitragen will: Der Unternehmens-Cluster, der mittlerweile 30 Mitglieder aus Forschungs- und Bildungseinrichtungen, Umwelttechnologieunternehmen sowie anderen Institutionen zählt, erreiche dies unter anderem durch den Transfer ressourcenschonender Technologien, Innovationen durch Forschungsprojekte und der ganzheitlichen Betrachtung von Stoffkreisläufen. Denn: Im Moment lebe man, „als hätten wir vier Erden“, sagte Tewes.
Außerdem: Holger Fischer von der Gießener Confidos Akademie berichtete im kurzen Gespräch mit Steffen Klink vom Rosbacher Institut für Unternehmenswerte über die Initiative „Gesunde Unternehmen“, die Gesundheitsmaßnahmen in Betrieben fördern will. Martin Lacroix und Nicole Tamka stellten das Startup-Weekend vor, bei dem Gründer vom 20. bis 22. Mai ihre gemeinsamen Ideen in den Gießener Alten Brauereihöfen vor eine Jury bringen. In einer Diskussionsrunde stellten sich Prof. Schmidt, Christian Rinn, Dr. Carsten Ott (Abteilungsleiter Technologie & Zukunft bei der HTAI), Teresa Tewes, Dr. Lars Witteck (Vorsitzender des Mittelhessen e.V. und Generalbevollmächtigter der Volksbank Mittelhessen eG) und Netzwerk-Leiter Klaus Rohletter unter der Moderation von Thomas Merten von Faktor 10 Institut für nachhaltiges Wirtschaften gGmbH den Fragen des Publikums.
Während Ott vor allem den Standpunkt der Landeswirtschaftsförderung in Bezug auf die Förderung von Zukunftstechnologien darlegte, betonte Lars Witteck die „soziale Nachhaltigkeit“, die unter anderem die Volksbank Mittelhessen, für die er seit seinem Abschied als Regierungspräsident tätig ist, mit ihrem regionalen Engagement fördert. Rohletter, Geschäftsführer der Albert Weil AG, erinnerte an die lange Tradition der kleinen und mittleren Unternehmen im Baugewerbe, nachhaltig zu arbeiten. Er setzte sich aber auch dafür ein, „bei allem Nachhaltigkeitsdenken nicht zu stark zu reglementieren“. Rinn forderte dagegen den Staat auf, bei der Vergabe öffentlicher Aufträge mehr die Nachhaltigkeit zu berücksichtigen. Zu oft werde dabei nur auf den Preis geachtet.