„Wir reden nicht nur über Hektar“: Mit einem Appell zur Arbeit im regionalen Verbund hob kürzlich Dr. Wolfgang Haensch beim Treffen des Netzwerks Wirtschaft im Regionalmanagement Mittelhessen die Bedeutung der Zusammenarbeit von Investoren, Planern, Kommunen und Genehmigungsbehörden bei der Vermarktung von Standorten als Gesamtpakete hervor. Haensch, Partner und Büroleiter der Kölner CIMA Beratung + Management GmbH, sprach zu rund 80 Gästen im Kulturzentrum Schlosspark in Buseck über Trends in der Gewerbeflächenentwicklung. Dabei waren Investoren ebenso vertreten wie der Mittelstand, Finanzinstitute, Verwaltung und die Politik. Unterstützt wurde die Veranstaltung von dem Bauunternehmen Goldbeck. In einer anschließenden Diskussionsrunde sprachen Unternehmer, Regionalplaner und Kommunalvertreter über ihre Sicht auf Standortplanung und -vermarktung.
In seinem Schlüsselvortrag sprach Haensch über Trends der Gewerbeflächenentwicklung und Erfahrungen aus anderen Regionen für Mittelhessen. Realität sei, dass häufig Angebot und Nachfrage entweder nicht zusammenpasse oder aber Flächen schlicht knapp würden. Für die Städte empfahl Haensch eine Reihe von Lösungsmöglichkeiten: So könne man mit einem Ansiedlungskriterium „Flächenverbrauch pro Beschäftigter“ die Standort-Entwicklung steuern. Interkommunale Gewerbegebiete, bei denen die Städte mit dem Umland zum beiderseitigen Nutzen kooperieren, kämen ebenfalls in Frage. Aber auch die Konversion von Brachen oder ehemaliger Militärflächen böte Möglichkeiten. Kleineren Kommunen legte Haensch eine regionale Abstimmung bei Flächengenehmigungen nahe, um „Kirchturmpolitik“ zu vermeiden. Zudem riet er dazu, Flächen nach überregionaler, regionaler und lokaler Bedeutung klarer zu profilieren.
Bei der Suche nach „marktgerechten und kurzfristig verfügbaren Flächen“ spiele die Quadratmeterzahl nicht die alleinige Rolle, Standorte müssten als Gesamtpakete angeboten werden, sagte Haensch. Der Mix aus harten und weichen Standortfaktoren in Verbindung mit einer optimalen Betreuung sei dabei wichtig. Und: Die Vermarktung ist nur im regionalen Verbund sinnvoll. Wie Mittelhessen im Vergleich zu anderen Regionen wahrgenommen wird, beschrieb Haensch so: Obwohl die Verflechtungen mit den Metropolregionen sichtbar seien, besitze die Region „ein hohes Maß an Eigenständigkeit.“ Dass sei unter anderem daran zu erkennen, dass in Mittelhessen Weltmarktführer dreißig Kilometer entfernt vom nächsten Autobahnanschluss zu finden sind. „Das ist in NRW undenkbar.“
„Wir müssen uns die Bälle noch mehr zuspielen“, appellierte der Vorsitzende des Netzwerks Wirtschaft, Klaus Rohletter, in der Podiumsdiskussion. Bei Anfragen gelte es, regional zu denken und nicht nur die eigenen Flächen im Auge zu haben. „Wenn ich selbst nichts habe, schicke ich niemand weg, sondern gebe innerhalb der Region weiter!“ Es gelte zudem, Projektentwickler als Partner der Kommunen zu sehen und auch die Politik frühzeitig einzubinden. Ein gutes Beispiel für Netzwerkarbeit sei der jährliche Gemeinschaftsstand auf der Immobilienmesse Expo Real in München, fügte der Vorstandvorsitzende des Bauunternehmens Albert Weil AG hinzu.
Nach Ansicht von Olaf Hausmann, Bürgermeister der Stadt Kirchhain, hat sich die interkommunale Zusammenarbeit in Mittelhessen gut entwickelt, könnte aber noch weiter verbessert werden. In seiner Stadt sorge eine gemeinsame Gesellschaft der Kommune mit den Eignern für die Erschließung von Flächen. So wolle man sich in Abstimmung mit den Nachbarkommunen als Wohnstadt mit Gewerbe zwischen dem Oberzentrum Marburg und dem Industriestandort Stadtallendorf profilieren. Die Bedeutung von Kommunikation und Kooperation im Vermarktungsprozess veranschaulichte auch Frank Paul, Geschäftsstellenleiter der Goldbeck Nord GmbH aus Wettenberg: Die Standortsuche werde komplexer, bestätigte er, und immer wieder werde das Bauunternehmen von Kunden nach einem Gesamtpaket aus Gebäude und Fläche gefragt. Sein Unternehmen habe Erfahrung darin, für Kunden eine effiziente Nutzung und Bebauung zu entwickeln und umsetzen.
Nicht jeder Kooperations-Ansatz ist allerdings ein Selbstläufer: So berichtete Harald Metzger vom Dezernat für Regionalplanung des Regierungspräsidiums (RP) Gießen vom Plan seiner Behörde, einen Gewerbeflächenpool mit den Kommunen zu planen und anzubieten – der allerdings gescheitert sei. Das RP „macht Regionalplanung für die Region und nicht für das Regierungspräsidium“, weckte Dr. Christoph Ullrich, Regierungspräsident und Vorsitzender des Vereins Mittelhessen, Verständnis für die Arbeit seiner Behörde. Dennoch könne das Ergebnis dieser Arbeit nicht immer eine Summe der Einzelinteressen sein. „Unsere Aufgabe ist es die regulativen Prinzipien mit den Anforderungen der Kommunen in Einklang zu bringen“, ergänzte Metzger. „Zusammenarbeit planen ist schwierig, Zusammenarbeit machen – im konkreten Fall und bei Bedarf – ist viel einfacher“, bilanzierte Klaus Rohletter die Diskussion. Der Moderator der Veranstaltung, Stefan Becker vom Beratungsunternehmen „state of play“ stimmte dem aus eigener Erfahrung zu und stellte schließlich eine weitere Stärke von Mittelhessen heraus: „Wir agieren auf Augenhöhe und können alle miteinander arbeiten. Mittelhessen kann sein Ding machen, wir kennen uns gut genug dafür!"