Als „einer der Wissenschaftsstandorte in Hessen“ mit überdurchschnittlich guter Verkehrsanbindung attestierte in der vergangenen Woche Tobias Koch vom Wirtschaftsforschungsunternehmens Prognos Mittelhessen gute Aussichten für die Zukunft. Der Leiter des Stuttgarter Prognos-Büros war als Keynote-Speaker in den Konferenzsaal der Wetzlarer Rittal-Arena gekommen, um die rund 40 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Treffens des Netzwerks Wirtschaft im Regionalmanagement über Status Quo und Zukunft der Infrastruktur in Mittelhessen zu informieren. Und nachdem Sie bereits bei der Mitgliederversammlung des Vereins Mittelhessen Ende Mai offiziell vorgestellt wurde, konnte bei dieser Gelegenheit die neue Vorsitzende des Netzwerks, Sabine Fremerey-Warnecke, ihre Funktion erstmals auch bei den Mitgliederinnen und Mitgliedern des Kreises von Vertretern aus Wirtschaft, Politik und Institutionen ausüben. Über das Tages-Thema Infrastruktur in Mittelhessen als Standortkriterium für die Wettbewerbsfähigkeit der Region gab es zudem Impuls-Vorträge von Fremerey-Warnecke, die als Geschäftsführerin der Auto-Müller GmbH & Co. KG über Elektromobilität sprach, Saskia Kuhl, Infrastruktur-Leiterin bei der IHK Lahn-Dill, die "Verkehr und Flächen" zum Thema hatte, und Michael Volkwein, Projektmanager des Geopark e.V., der über digitale Infrastruktur am Beispiel des Tourismus-Hotspots Grube Fortuna referierte.
In seiner Keynote charakterisierte Koch Mittelhessen als eine Region, die Bevölkerungswachstum vor allem entlang von Achsen der urbanen Zentren und der Verkehrsinfrastruktur verzeichnet. „45 Prozent der Kommunen sind von Zuwächsen geprägt.“ Die Abwanderung jüngerer Menschen aus den ländlichen Gebieten bezeichnete er als „Herausforderung“. Bei der Beschäftigung folge die Region weitgehend Bundes- und Landestrends, zeige aber einen starken Schwerpunkt im Metallbereich, der zweieinhalb Mal so stark vertreten sei, wie im Bundesdurchschnitt. Die Eigenschaft Mittelhessens als „stille Reserve“ für das RheinMain-Gebiet sieht der Diplom-Wirtschaftsingenieur differenziert: Während der Gesamtraum „relativ stark nach Süden abgibt“, zeichneten sich die Mittel- und Oberzentren Mittelhessens als „Einpendel-Standorte“ aus.
Dazu beitragen mag auch die gute Verkehrsanbindung, die über dem Bundesdurchschnitt liege, wie Koch referierte. Der Ausbau der B49 und die Verlängerung der A49 verspreche zudem weitere Verbesserungen. Die Bedeutung Mittelhessens als „Wissenschaftslandschaft“ verdeutliche der hohe Anteil von Studierenden an der Bevölkerung, der mit 64 pro 1000 Einwohnern mehr als doppelt so hoch sei wie im übrigen Deutschland. In seinem Zukunftsausblick wies Koch darauf hin, dass neben dem Ausbau der Verkehrswege auch die „kurzfristige Verfügbarkeit“ von Flächen und der Bedarf an Fachkräften Rollen spielen werden.
In den anschließenden Impuls-Vorträgen ging es um „Perspektiven aus der Wirtschaft“ auf das Infrastruktur-Thema: Als Autohändlerin sprach Sabine Fremerey-Warnecke über die Herausforderungen der Elektromobilität und plädierte dabei für einen breiteren Technologie-Ansatz, der auch die mit Wasserstoff betriebene Brennstoffzelle umfasst. Dies sei „die sauberste Art, mit der wir uns fortbewegen können.“ Saskia Kuhl, Infrastruktur-Leiterin bei der IHK Lahn-Dill, sprach über eine Machbarkeitsstudie von Kommunen, Unternehmen und IHK über die Verlagerung von Verkehr auf die Schiene. „Der Verkehr wird stark steigen“, sagte Kuhl. Neben Aus- und Weiterbau vordringlicher Projekte wie B49 und A49 sollten RheinMain-Gebiet und Mittelhessen auch auf der Schiene besser angebunden werden – zum Beispiel durch einen viergleisigen Ausbau der Main-Weser-Bahn. Denn: „Verkehrswege sind die pulsierenden Adern unserer Gesellschaft“, betonte Kuhl.
Michael Volkwein, Diplom-Geograf, Bergwerksunternehmer und Projektmanager des Geopark e.V., machte in seinem Beitrag deutlich, dass „digitale Infrastruktur mindestens genauso wichtig wie Straßenausbau ist.“ Dabei bezog er sich vor allem auf den touristischen Schwerpunkt Grube Fortuna im Lahn-Dill-Kreis, der demnächst durch schnelle Hotspots angebunden wird. „Ich bin froh, dass wir digital angekommen sind“, sagte Volkwein – „damit wir gefunden, bewertet und geteilt werden können“. Trotz 20.000 Besuchern im Jahr hätte es sonst künftig kaum eine Chance gegeben, „touristisch stattzufinden“.
In einer anschließenden Podiumsrunde diskutierten neben Tobias Koch Dennis Pucher, Breitband-Berater für Mittelhessen, Harald Metzger, Stellvertretender Leiter des Dezernats für Regionalplanung und Bauleitplanung des Regierungspräsidiums Gießen, Jürgen Richter, Referatsleiter Straßenbau des Hessischen Ministeriums für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Wohnen, und Rainer Schwarz, Vorstand der Oberhessischen Versorgungsbetriebe AG (OVAG), Lösungsansätze auf der Planungsebene, um künftigen Herausforderungen an die Infrastruktur der Region zu begegnen.